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13 Tipps für ein inspirierendes Wochenende im Vinschgau

Weekender Vinschgau

Ein Wochenende im „Wilden Westen“ Südtirols: Dem Tal der Künstler und Freigeister

Im Vinschgau ist manches anders: die Berglandschaften karger, das Klima trockener, der Wind hartnäckiger – und die Menschen eigensinniger. Ein Wegweiser für den „Wilden Westen“ Südtirols.

1. Cross-Over

In ganz Südtirol findet derzeit ein spannender Generationenwechsel statt. Eine Riege junger Hoteliers tritt auf den Plan, deren Eltern den Tourismusboom der Siebzigerjahre erlebten und oft mitprägten. Statt auf Bettenburgen in beschaulichen, bäuerlich geprägten Dörfern setzt die nächste Generation ganz auf kleine, feine Boutique-Hotels und ein Design, das jenseits alpiner Klischees liegt. Paradebeispiel: Mara Theiner mit ihrem Hotel Weisses Kreuz im 850-Seelen-Ort Burgeis mit Baukörpern aus verschiedenen Epochen und seit 1871 im Besitz der Familie. Nach Umbau und Erweiterung verfügt das Haupthaus nun über moderne Suiten, einen großzügigen Wellnessbereich sowie neue Lounge-, Bar- und Essbereiche. Direkt gegenüber dem Hotel liegt der Ansitz zum Löwen, ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude aus dem 13. Jahrhundert. Im Obergeschoss des Haupthauses entstanden in den original erhaltenen alten Stuben mit prächtigen Holztäfelungen fünf außergewöhnliche Suiten. Holz spielt ebenfalls eine dominierende Rolle in den vier Suiten in der ehemaligen Scheune. Hier ist der Stil jedoch geradlinig und modern. Was Ansitz und Hotel aber zum echten Geheimtipp macht, ist die ausgezeichnete Küche von Marc Bernhart, Maras Lebensgefährte, die einen mitnimmt auf einen kulinarischen Streifzug durch Südtiroler Berge, in mediterrane Gefilde und zu exotischen Destinationen. „Mein Credo lautet: biete stets eine moderne, erfrischende Cross-Over-Küche“, sagt Bernhart, „deshalb servieren wir herzhafte Knödel ebenso wie hausgemachte Pasta oder französische Entenleber und thailändisches Curry.“

2. Ruhe und Kraft

Nur fünf Autominuten von Burgeis entfernt liegt das Kloster Marienberg auf 1340 Metern Höhe – damit ist sie die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas. Sehenswert ist die Krypta, die einen faszinierenden, äußerst farbenprächtigen Freskenzyklus aus der Zeit zwischen 1175 und 1180 enthält – ein einzigartiges Denkmal romanischer Kunst. Dass das Kloster auch weiterhin ein spirituelles Zentrum für den gesamten Vinschgau bleibt, garantiert die neue Bibliothek, die vom Südtiroler Stararchitekten Werner Tscholl entworfen wurde. Im Lauf der Jahrhunderte haben die Benediktiner ihr Betätigungsfeld immer wieder den Erfordernissen der Zeit angepasst. So kann man heute sogar neun vorzüglich restaurierte Gästezimmer im ehemaligen Wirtschaftstrakt buchen und erleben, welche Ruhe und Kraft die alten Gemäuer des Klosters ausstrahlen.

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Spirituelles und kulturelles Zentrum des oberen Vinschgaus: Kloster Marienberg.

3. Messwein vom Klosterhang

Alles begann 2002, als der belgische Reeder Frans Van den Dries mit seiner Frau das Calvenschlössl erstand, ein kleines Haus auf einer Anhöhe am Ortsausgang von Laatsch. Drei Jahre später erwarb er auch noch das Land hinter dem 1000 Meter hoch gelegenen Anwesen und frönte auf dem steilen, felsigen Gelände fortan seinem Hobby: Bioweinanbau. Die erste Ernte 2008 ergab 23 Liter. Größtes Problem des Winzernovizen: Auf solch einem Hang kommen nur die wahren Kämpfer unter den Rebsorten zurecht, etwa Solaris und Zweigelt. Genau das aber brachte den Abt von Kloster Marienberg auf eine Idee. 2012 beschloss Markus Spanier, den steilen Hang unterhalb des Klosters mit Reben zu bepflanzen, und verpachtete die ehemalige Kuhweide an die Van den Dries. 7200 Reben hat Tochter Hilde in den folgenden Jahren in die Erde gesteckt, auf 1340 Metern Höhe, im höchstgelegenen Weinberg Europas. Inzwischen werden auf dem Weinhof Calvenschlössl acht verschiedene Bioweine und mehrere Tausend Flaschen pro Jahr verkauft, fast ausschließlich an die gehobene Gastronomie im Obervinschgau.

4. Alpines Stadtjuwel

Glurns, die kleinste Stadt Südtirols, bezaubert bereits auf den ersten Blick durch ihr einzigartiges mittelalterliches Flair – und ist noch nicht überlaufen. Kaiser Maximilian I. ließ im 16. Jahrhundert die heute noch bestehende Stadtmauer als Bollwerk errichten. Dabei bestand Glurns nur aus 30 Häusern, die sich längs einer einzigen Gasse aufreihten, der Laubengasse. In deren weiß getünchten Häusern waren die Werkstätten der Handwerker untergebracht. Unter den vorgelagerten Laubengängen boten sie ihre Waren feil. Die Stadt verfügte zudem über das Marktrecht, hatte viele Privilegien und profitierte vom Handel unter anderem mit Salz aus dem Inntal.

5. Fine Dining im Turm

Der Flurinsturm gehört zu den ältesten noch erhaltenen Gebäuden von Glurns. Die Grundmauern des ehemaligen Gefängnisturms werden auf das frühe 13. Jahrhundert datiert. Ganz der historischen Vergangenheit verbunden, gelang es Thomas Ortler, die geschichtsträchtigen Räume auf modernsten Standard zu bringen. Räume, die nun eine grandiose Bar, ein im klischeefreien und damit zeitlosen Interior Design gehaltenes Restaurant und sechs exquisite Bed-and-Breakfast-Suiten beherbergen. Hotelier und Chefkoch Ortler ist studierter Historiker. „In unserer Speisekarte spiegeln sich der Vinschgau, das Wetter und unsere Böden wider“, sagt der Endzwanziger, dessen vierköpfiges Team monatlich wechselnde Menüs kreiert. „Wir tun das monatlich, um regionale und saisonale Produkte auf kulinarischen Witz und unseren Eigensinn treffen lassen zu können. Das ist der Charakter unserer Küche.“

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Der Flurin-Turm in Glurns ist das Reich von Thomas Ortler. Als Küchenchef reüssierte der Endzwanziger mit einem Faible für regionale und saisonale Produkte mit kulinarischem Witz und Eigensinn. Als Hotelier glänzt er mit Interior Design, das sich als sehr lässige Kombination aus Tradition und Moderne präsentiert.

6. Italian Malt Whisky

Etwas außerhalb der Stadtmauern befindet sich das neue architektonische Wahrzeichen von Glurns: der wiederum von Stararchitekt Werner Tscholl entworfene 13 Meter hohe Kubus der Destillerie Puni, deren Standort von der Eigentümerfamilie Ebensperger strategisch gut durchdacht wurde. Denn die erste und bis heute einzige Whisky-Brennerei Italiens liegt inmitten der einstigen Kornkammer Südtirols. So erscheint es nur konsequent, dass die Ebensperger reinstes Vinschger Gletscherwasser und Vinschger Roggen zur Herstellung der hochprozentigen Tropfen verwenden. Was den Destillationsprozess betrifft, orientiert man sich allerdings ganz am schottischenWeg. „Wir haben dort für sehr viel Geld eine mehr als 100 Jahre alte Getreidemühle erworben“, sagt Ebensperger, „und auch die Brennblasen lieferte eine schottische Firma, Forsyths, die zu den renommiertesten Brennblasenproduzenten zählt.“

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Feinste Whiskys brennt man in der Destillerie Puni in Glurns.

7. Keine E-Bikes!

Selbstverständlich bietet Siegi Weisenhorn, Bikeguide und Inhaber der Agentur Südtirolbike in Mals, auch E-Bike-Touren im Vinschgau an. Doch auf der dreitägigen „Komplizen-Tour“ im hochalpinen Gelände des Dreiländerecks zwischen Stilfserjoch und Reschenpass muss es das „normale“ Mountainbike sein. Warum Komplizen-Tour? „Ganz einfach“, sagt Weisenhorn, „das ist eine Hommage an die Vinschger Bergbauernsöhne, die sich ihren Lebensunterhalt bis in die 1970er-Jahre mit dem Schmuggeln von Kaffee, Tabak und Saccharin verdienten.“ Dass Siegis mehrtägige Tour mit schweißtreibenden Höhen- und Tiefenmetern, mit vielen Tragepassagen im Bike-Bergsteiger-Stil und noch viel mehr Abfahrten zwischen Flow und technisch herausforderndem Stolperbiken über alpin verblocktes Gelände nur gut trainierten und technisch versierten Bikern zu empfehlen ist, liegt auf der Hand. Doch die Schmugglerromantik lässt sich auch auf weniger anspruchsvollen Trails erfahren. Zum Beispiel auf der „Kuntrawant-Tour“, die vom Ofenpass aus entlang der Schweizer Almen auf kurvenreichen Schmugglerpfaden bis nach Prad zur Kuntrawant Caffeebar führt, wo Siegis „Komplize“ Josef Gander Kaffeespezialitäten aus aller Welt serviert.

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Eine Hommage an die Vinschger Bergbauernsöhne: auf der Komplizen-Tour wandeln die Biker auf den Spuren von Schmugglern, Grenzgängern und Abenteurern.

8. Weisses Gold

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Drei bis vier Monate dauert es bis ein Marmorengel des Bildhauer- und Steinmetzmeis-terbetriebs Josef Mayr aus Laas das Atelier verlässt.

Der strahlend weiße Marmor hat das Dorf Laas im Stilfserjoch Nationalpark in aller Welt bekannt gemacht: besonders im 19. Jahrhundert setzten Künstler und Baumeister mit Vorliebe auf das edle und widerstandsfähige Gestein. Heute wird es bevorzugt im Bereich der Innenausstattung, aber auch bei Prestigebauten wie an der neuen U-Bahn-Station des WTC in New York eingesetzt. Gebrochen wird der Laaser Marmor im Weißwasserbruch – unter strengsten Auflagen. Auf einer Führung kann man erleben, wie er vorsichtig zu Tal gebracht wird: Angedockt an die Seilbahn Weißwasser überquert er das Laaser Tal und nimmt Platz auf dem Schrägwagen der oberen Marmorbahn. Diese bringt ihn zum 1350 Meter hoch gelegenen Bremsberg. Dort wird der Schrägwagen abgekoppelt und auf die Schrägbahn geschoben, um von dort zu Tal zu gleiten.

9. Faszinierende Abfallproduktkunst

„Hereinspaziert“, sagt Jörg Hofer und bittet in sein Atelier mitten in Laas, das früher ein Heustadel war und heute selbst ein Kunstwerk ist – auf dem Kalksteinboden mischen sich bunte Farbspritzer, auf einem kleinen Tisch stehen Schalen voller verkrusteter Farbe. Hofer, Jahrgang 1953, ist im Marmordorf geboren und aufgewachsen.

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Pendler zwischen Wien und dem Marmordorf Laas: Künstler Jörg Hofer, der mit dem Abfallprodukt Marmormehl Kunst von internationalem Rang schafft.

Heute lebt er abwechselnd dort und in Wien, wo er in den 1970er-Jahren an der Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse für Malerei bei Prof. Max Weiler studierte. Dieser entfachte Hofers Liebe zu Pigmenten. Wobei das erste Pigment, das Hofers Leinwände berührt, Marmorsand ist. Auf einer Reise nach Pompeji ließ er sich von den mit Marmor grundierten Fresken der Ruinenstadt am Vesuv inspirieren und fand die adäquate Technik für seine Bilder: Er siebt den Sand, versetzt die weiße Masse mit Farbpigmenten, verteilt sie und bearbeitet die bis zu 20 Schichten Farbe mit Bürsten, Holzbrettern oder den Fingern. Resultat: Keine Wischiwaschi-Malerei, sondern höchst innovative, immer an der Natur orientierte „Abfallproduktkunst“ mit Furchen, Kratzern und Kanten.

10. Die Multifactory

Basis Vinschgau Venosta in Schlanders ist Teil von Startbase Südtirol, einem Netzwerk von Coworkings, und bietet eine Büro-Alternative für Kreative, Freiberufler, Unternehmen, Gründer und Freelancer. Aber auch die Kultur steht in der zur Zwischennutzung freigegebenen Drusus-Kaserne im Fokus. Glanzstück ist das „Kasino“ mit seiner State-of-the-Art-Akustik- und Beschallungstechnik, doch auch das gemütliche Salotto, der Burggraben, die vielen flexibel buchbaren Räumlichkeiten und Eventlocations innerhalb und außerhalb des Gebäudes warten nur darauf, mit Leben gefüllt zu werden.

11. Perfekte Inszenierung

Der Wildbach Plima hat sich im hinteren Martelltal tief in den Fels gefressen und eine beeindruckende Schlucht geschaffen. Hier stürzt das Schmelzwasser aus den Gletschern der Zufallspitze mit Wucht über Stufen und Fälle. Um dieses Naturschauspiel erreichbar zu machen, wurden von den Architekten Pohl & Partner vier spektakuläre begehbare Stahlkonstruktionen in Form einer Kanzel, einer Sichel, einer Kelle und einer Hängebrücke in die Natur eingepasst.

12. Ganz oben Staunen

Am Schnalstaler Gletscher ist auf 3251 Metern eine neue Aussichtsplattform zu finden, die von Ötzi inspiriert ist. Der „Iceman Ötzi Peak“ gibt einen grandiosen Panoramablick auf die Bergwelt frei. Die Konstruktion, die so designt wurde, dass sie den Grund nur dort berührt, wo es nötig ist, schafft die Illusion einer fast schwebenden Plattform, die sich perfekt in die hochalpine Kulisse einfügt. Eine Besonderheit ist ein Aussichtstunnel, der den Blick auf den Ort lenkt, wo die Gletschermumie 1991 entdeckt wurde. Anfang Oktober 2020 wurde am Schnalstaler Gletscher zudem ein neues Kunstprojekt des dänisch-isländischen Künstlers Ólafur Elíasson realisiert: „Our glacial perspectives 2020“.
Es beschäftigt sich mit dem Klimawandel und der Geschichte der Eiszeiten und ist – wie die Aussichtsplattform – nach einer sechsminütigen Seilbahnfahrt mit der Schnalstaler Gletscherbahn zu erreichen.