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Akris – Selbstverständlich angezogen

Akris. Mode. selbstverständlich

Albert Kriemler x Carmen Herrera, Streetstyle-Foto, Frühling/Sommer 2017 © Fotos: Amit Israeli (2), Bon Wongwannawat, Timothy Schaumburg, Akris

Das Schweizer Modelabel Akris setzt auf zurückhaltenden Luxus – und ist damit weltweit erfolgreich. Eine Ausstellung in Zürich erforscht die bescheidenen Anfänge als Schürzenatelier und den Einfluss der St. Galler Stickerei auf die sinnlich-minimalistischen Entwürfe von heute

Etwas selbstverständlich wirken zu lassen, ist wohl die größte Kunst überhaupt. Stundenlange Arbeit, Schwierigkeiten, Fehlversuche – all das fällt hinter den fertigen Entwurf zurück, wird unsichtbar. Was bleibt, ist stimmig und klar: eine Vision, die ihren Platz beansprucht, kaum noch wegzudenken ist. Gute Architektur schafft das oder die leichte Linie eines großen Malers. Auch Albert Kriemler, Designer des Schweizer Modehauses Akris, misst seine Arbeit an diesem Ideal. Wenn es gelingt, unterstreicht das von ihm entworfene Kleidungsstück die Anmut und Einzigartigkeit seiner Trägerin, anstatt sich selbst in den Vordergrund zu spielen. „Wenn eine Frau einen Raum betritt“, sagt der Designer, „möchte ich, dass die Menschen zuerst ihre Persönlichkeit sehen und danach ihre Kleidung.“

Akris. Mode. selbstverständlich

Albert Kriemler x Alexander Girard, Wooden Dolls Druck, Défilé, Frühling/Sommer 2018.

Die Essenz der Selbstverständlichkeit findet sich auch im Titel der Ausstellung wieder, die sich derzeit in Zürich dem Modehaus widmet: „Akris. Mode. selbstverständlich“, heißt die Schau, die noch bis 24. September im Museum für Gestaltung auf die 100-jährige Geschichte des Luxuslabels zurückblickt. Heute international erfolgreich, waren die Anfänge des Unternehmens in der Ostschweiz einst bescheiden. In St. Gallen, der Stadt, die im 19. Jahrhundert mit ihren Stickereien zu Weltruhm gelangte, gründete die Bauerstochter Alice Kriemler-Schoch 1922 ein Atelier für Schürzen. Schon damals arbeitete sie in ihre Entwürfe Stickereien ein und verwendete in St. Gallen produzierte Stoffe. Ihr Sohn Max Kriemler gab die Schürzenproduktion in den Siebzigerjahren schließlich auf und setzte ganz auf die Herstellung hochwertiger Damenkleidung. Der Firmenname Akris, ein Akronym aus den Initialen der Mutter, erinnert an die Gründerin.

 
Deren Enkel Albert Kriemler übernahm 1980 die kreative Leitung des Familienunternehmens – und machte Akris zu einem weltweit bekannten Symbol für zurückhaltenden Luxus. Seit 2004 präsentiert sich Akris als bislang einziges Schweizer Label auf der Paris Fashion Week. Die zurückhaltende Eleganz der Stücke spricht Frauen an, die in ihrem Alltag Besseres zu tun haben, als über Mode nachzudenken. Ihre Kleidung, findet Kriemler, soll sie wie ein schützender Mantel umhüllen. Auch für den Designer beginnt der kreative Prozess mit der sinnlichen Erfahrung des Materials: „Wenn ich den Stoff fühle, weiß ich, was ich damit anfangen kann.“ Er spürt dann, welchen Schnitt der Stoff braucht, wie er fallen muss, welche Farbe ihn am Körper der Frau optimal in Szene setzt. Akris arbeitet mit hochwertigen Doubleface-Stoffen, die etwa aus Wolle, Seide oder Kaschmir bestehen und durch eine doppellagige Bindung zwei richtige Seiten haben. Und natürlich mit Spitze, die bis heute in St. Gallen in weltweit einzigartiger Qualität produziert wird.

Akris. Mode. selbstverständlich

A Woman on a Walk, St. Gallen-Karten Druck, Stiftsbibliothek, St. Gallen, Lookbook, Herbst/Winter 2021

Ein Blick hinter die von Kriemler angestrebte Selbstverständlichkeit offenbart, dass sie vor allem aus Gegensätzen entsteht. Seine Entwürfe sind minimalistisch und sinnlich, modern und zeitlos, verwurzelt in der St. Galler Textiltradition, aber nach vorn gewandt. Im Lauf seines Schaffens hat er eine kreative Grammatik für Akris etabliert, deren Bestandteile – er nennt sie Codes – sich immer neu variieren lassen. Dazu gehört das Trapez, das für das A in Akris steht und Taschen, Gürtelschnallen und Verschlüsse in Form bringt. Das ungewöhnliche Material Rosshaar, das sich wie feinster Draht verweben lässt und Accessoires eine filigrane, fein glänzende Struktur verleiht. Aber auch bedruckte Stoffe, für die der Designer von zeitgenössischen Künstlern wie Carmen Herrera, Imi Knoebel oder Reinhard Voigt inspiriert wird. Zudem spielt die Architektur in seinem Schaffensprozess eine wichtige Rolle. Neben den Proportionen, die selbstverständlich stimmen müssen, sieht er eine weitere Parallele zur Mode: „Ein ­gutes Kleidungsstück zu tragen ist ein bisschen so, als würde man es bewohnen.“

Alice Kriemler-Schoch Villa Fels

Das Modehaus Akris wurde 1922 von Alice Kriemler-Schoch (li.) in St. Gallen als Atelier für Schürzen gegründet

Gut zu Wissen

Ausstellung
Akris. Mode. selbstverständlich im Museum für Gestaltung
Zürich, bis 24. September 2023.
Mehr Infos unter museum-gestaltung.ch