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Die Grünsteinumfahrung – ein Skitourenklassiker fürs Frühjahr

Die Grünsteinumfahrung - Ein Skitourenklassiker fürs Frühjahr

Welcher Tourengeher hat noch nicht von ihr gehört? Weit über Österreichs Grenzen bekannt ist diese landschaftlich beeindruckende Skitourenrunde, welche über drei Übergänge in Form von Jöchern, Toren und Scharten führt. Schnell kommen einem beim Anblick der wilden Landschaft die Felsbollwerke der Dolomiten in den Sinn. Im Angesicht dieser beeindruckenden, steinernen Bergwelt durchaus nachvollziehbar! Dazu kommt die Erleichterung durch den Lift des Biberwier-Skigebietes, mit dem ganze 700 Höhenmeter eingespart werden können. Egal ob Genießer oder ambitionierter Tourengeher: Eine Skitour, die auf keiner To-do-Liste fehlen darf!

Die Sonne strahlt an diesem Morgen mit uns um die Wette. Ein azurblauer Himmel spannt sich über die Gipfel der Zugspitzregion. Der perfekte Tag für unser ambitioniertes Vorhaben. Auch wenn die Benutzung der Marienberglifte durchaus verlockend klingt, wollen wir die 1.750 Höhenmeter der Grünsteinumfahrung aus eigener Kraft bewältigen. Trainiert genug sind wir, unsere Ski top in Schuss, also kanns losgehen!

Wir starten an der Talstation des Skigebietes in Biberwier. Bis zur Mittelstation ist die Piste sehr flach und daher perfekt fürs Warm-up geeignet. Obwohl Pistentouren nicht so unser Ding sind, muss man ihnen eines zugutehalten: Die Höhenmeter schmelzen wie warme Schokolade nur so dahin. Schon nach einer knappen Stunde erreichen wir die sonnenverwöhnte Sunnalm (1.620 m). Gemütliche Tourengeher werden für die 700 Höhenmeter Piste etwa 1,5 bis 2 Stunden benötigen.

Wir steigen weiter hinauf, am Schlepplift vorbei, bis wir das Marienbergjoch (1.789 m) und damit das Ende des Skigebietes erreichen. Vom Joch hat man einen wunderschönen Blick auf die andere Seite, wo sich in der Ferne die Ötztaler Berge erheben. Der milchige Schleier des Morgennebels liegt noch über den Tälern, doch hier oben ist der Himmel bis auf kleine Wolkenreste bereits klar. Die Sicht könnte nicht besser sein! Auch unsere Stimmung hebt sich merklich, als wir endlich ins Gelände kommen. Erst jetzt beginnt die eigentliche Tour der Grünsteinumfahrung.

Der Abzweig ist nicht zu verfehlen. Die Route geht von der Piste nahtlos in die bereits ausgetretene Aufstiegsspur über. Sie quert zuerst ohne großen Höhengewinn entlang der südseitigen Ausläufer des Grünsteines, dem Namensgeber und Mittelpunkt unserer heutigen Unternehmung. Seine rauen Felswände ragen wuchtig in den makellosen Himmel.

Mit 2.662 Metern ist er der höchste Gipfel der westlichen Mieminger Kette. Gemeinsam mit dem Hochplattig und den Griesspitzen bildet er das Trio der großen Berge im Kalkgestein. Im Sommer eine mühsame Bergtour, die Kondition für fast 1600 Höhenmeter, alpine Erfahrung im weglosen Schrofengelände sowie Kletterfertigkeiten (bis III) erfordern. Da eine Winterbesteigung mit Skiern nicht möglich ist, wird dem Grünstein mit dieser herrlichen Umrundung gehuldigt …

Die Skitourenspur wird auf den letzten Metern hinauf zum Hölltörl (2.125) merklich steiler. Dazu kommen stollende Felle, welche das Vorankommen zusätzlich erschweren. Nervig! Da hilft nur Fellwachs, das kann wahre Wunder bewirken. Wenn man es dabei hat …

Meines liegt daheim, dafür wird Rick in seinem Rucksack fündig. Der Tag ist gerettet! Im Frühjahr bei warmen Temperaturen sollte das Wachs zum Imprägnieren auf keinen Fall fehlen. Durch die Schnee- bzw. Eisklumpen an den Fellen kann eine Tour schnell zur Tortur werden. Am besten wachst man die Felle am Vortag der Unternehmung, dann kommt man erst gar nicht in die unangenehme Stollen-Situation … 🙂

Jetzt läufts wieder! Ich bin gespannt, was mich oben am Sattel des Hölltörls erwartet. Ich staune nicht schlecht. Vor uns erhebt sich ein beeindruckendes Felsenmeer, welches hauptsächlich den Wänden der Westlichen Griesspitze (2.741m) entspringt. Ihre wilden, zum Teil extrem steilen Kare sind beliebte Alternativen von Variantenfahrern, die einiges an Erfahrung im Steilgelände mitbringen müssen, um wieder heil unten anzukommen. Selbst an diesem ungewöhnlich warmen Tag wagen zwei Tourengeher den Aufstieg in eines der Kare.

Auf uns wartet zwar kein Adrenalinkick, jedoch eine schöne Abfahrt hinunter in die sogenannte Höll (1.800m). Die Spuren ziehen östlich durch herrliches Skigelände. Von oben siehts gar nicht schlecht aus. Doch nach den ersten Schwüngen ist klar: Grundlage eher dürftig, der Schnee entweder harschig oder feucht. An manchen Stellen schauen Steine hervor. Wenigsten ein paar Fitzelchen Tiefschnee könnten es sein. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert. Wir müssen uns gedulden, um zu sehen, was uns in den nordseitigen Karen so erwartet …

Unten in der windstillen Mulde machen wir erst einmal Brotzeit. Obwohl unsere Erwartungen in Form von Pulverschnee (noch) nicht erfüllt wurden, lassen wir uns die Laune nicht verderben. Es kommen schließlich noch zwei Abfahren mit Potenzial. Nachdem unsere Energiespeicher gefüllt sind, machen wir uns an den nächsten Aufstieg. Rund 500 Höhenmeter müssen in zahlreichen Spitzkehren hinauf zur Grünstein-Scharte (2.272m) absolviert werden.

Im südseitig ausgerichteten, wannenförmigen Kar staut sich die Mittagshitze. Uns läuft der Schweiß in die Augen. Obwohl der März erst in den Startlöchern steht, fühlt es sich heute wie eine richtige Frühjahrsskitour an. Mein Bauchgefühl sagt Gas geben, denn die steigenden Temperaturen sind tückisch. Kleine Nassschneelawinen bahnen sich bereits ihren Weg Richtung Tal. Wir beeilen uns, um schnell auf die sichere Nordseite wechseln zu können!

Außer uns befinden sich vier Tourengeher im Kar, die sich als kleine Punkte einige Kehren über uns befinden. Für mich ist es durchaus verlockend, sie einzuholen. Doch wir bleiben bei unserem gleichmäßigen Tempo, schließlich haben wir noch etwas Strecke vor uns. Jeder geht seine individuelle Geschwindigkeit, welche einem gewissen Rhythmus gleicht. Das repetetive Schleifen der Ski hat etwas Meditatives an sich. Jeder Schritt bringt uns unserem Ziel und der inneren Gelassenheit ein Stück näher. Wir gehen, ohne uns von gestrigen oder morgigen Themen tangieren zu lassen. Ein Gefühl, das nur mit dem Einklang der Natur entsteht, was wir im Alltag vergeblich suchen …

Heute ist es vergleichsweise einsam auf der Grünstein-Runde. An sonnigen Wochenendtagen im April bahnen sich oftmals Karawanen ihren Weg hinauf zur Scharte. Davon sind wir heute – unter der Woche – zum Glück weit entfernt. Ich schraube mich Spitzkehre für Spitzkehre immer weiter hinauf. Und schon stehe ich oben auf der Scharte, welche einem Nadelöhr gleicht. Wie der Betrachter eines Gemäldes schaue ich auf eine malerische Berglandschaft, dessen Felswände wie ein wuchtiger Bilderrahmen das Motiv begrenzt.

Von der Sonne etwas mitgenommen, taucht Ricks roter Kopf hinter der Schneekuppe auf. Unsere ausgetrockneten Kehlen verlangen nach Flüssigkeit. Der Windgeschütze Bereich direkt am Fels, lädt uns förmlich zum verweilen ein. Ein perfekter Brotzeitplatz! Als Nächstes gehts über eine anfangs steile Rinne hinab zur Aufstiegsspur. Die schmale, felsdurchsetzte Einfahrt ist nicht zu unterschätzen. Für routinierte Tourengeher kein Problem. Wer nicht sicher ist, steigt lieber ein Stück ab, bis das Gelände einfacher wird. 

Ich mags gerne steil und etwas herausfordernd, daher ist dieser Abschnitt genau nach meinem Geschmack. Nach wenigen Schwüngen weitet sich das Kar. Ich spüre den fluffigen Pulverschnee unter meinen Skiern, der mich wie auf Wolken trägt. Ein Gefühl der Leichtigkeit durchflutet mich. Doch es ist leider schneller vorbei, als mir lieb ist. Ich ziehe die letzte Locke und quere den Hang rüber zur Aufstiegsspur.

Von der Grünstein-Scharte hatten wir einen perfekten Ausblick auf das Tajatörl (2.559m), unserem letzten Anstieg für heute. Die Spur verläuft gemütlich über einen breiten, aussichtsreichen Kamm. Westlich erhebt sich als fotogener Gipfel die mächtige Pyramide der Ehrwalder Sonnenspitze. Darunter befindet sich der bekannte Seebensee und die Coburger Hütte. Das Panorama ist von jeder Perspektive der Grünsteinumfahrung atemberaubend!

Zahlreiche Tourengeher steigen vom See Richtung Grünstein-Scharte auf. Da es auch hier die bequeme Aufstiegshilfe in Form der Lifte gibt, ist diese Tour sehr beliebt bei Genuss-Skitourengehern. Wir fellen zügig ab. Der Blick hinunter zur Piste täuscht. Das Skigebiet erscheint zum Greifen nah. Doch bis wir an der Talstation des Ehrwalder Skigebietes angelangt sind, wird es noch eine Weile dauern. Bevor es in die nächste Abfahrt geht, schaue kurz zurück zum Nadelöhr und bewundere unsere gleichmäßig gezogenen Locken im Kar.

Skischnallen zu, in die Bindung rein … Ab gehts Richtung Tal. Nun werden wir vollends für die Strapazen der vergangenen Aufstiege belohnt. Die lange Abfahrt ins nordöstliche Brendlkar ist ein wahrer Hochgenuss! Obwohl manche Hänge schon etwas verspurt sind, finden sich mit dem richtigen Riecher (Powdernäschen) immer noch unberührte Abschnitte, die mir einige Freudenjuchzer entlocken! Die Begeisterung über unsere abwechslungsreiche Runde wird nicht so schnell aus meinem Gesicht weichen.

Wir fahren bis zum kleinen Häusl „Ganghofers Rast“, wo wir auf die „Ganghofer Hochloipe“ der Ehrwalder Alm treffen. Auf dieser gehts in ca. 20 Minuten in einem Auf und Ab hinüber zur Bergstation des Skigebietes. Manche werden auf diesen letzten Anstiegen fluchen, da sich dieser Abschnitt mit müden Beinen besonders zieht. Hat man die 70 Höhenmeter und 4 Kilometer hinter sich gebracht, ist durchschnaufen angesagt.

Über die präparierte Piste gehts nun entspannt hinab zur Talstation. Nach diesem einsamen Tourentag ist es etwas gewöhnungsbedürftig, wieder in der Zivilisation angekommen zu sein. Es herrscht Hochbetrieb im Skigebiet. Da heißts aufpassen und den Fahranfängern ausweichen. In weniger als zehn Minuten sind wir unten im Tal. Mit dem Bus geht es entspannt zurück zu unserem Auto nach Biberwier. Damit schließt sich unser Kreis. Eine Rundtour par excellence!

GUT ZU WISSEN

Exposition // Alle   Skitour 4-6 Stunden     Mittelschwere Tour

Ort // Mieminger Berge, Österreich
Art // Skitourenrunde

Lawinengefahr // Mittel bis hoch (Hänge bis 35 Grad)

Orientierung // Ohne Liftbenutzung in ca. 1,5 bis 2 Stunden über die Piste hinauf zur Bergstation. Ansonsten mit dem Marienberglift (17€) bequem zum höchsten Punkt des Skigebietes (Sunnalm, 1.620m). Der Tourenspur durch Latschengelände folgen, bis das Hölltörl (2.125m) erreicht wird. Abfellen. Nach Osten hinunter in die Höll (1.800m). Anfellen und in nordöstlicher Richtung das Kar rauf bis zur Grünstein-Scharte (2.272). Kurze Abfahrt nach Norden, anschließend auf Aufstiegsspur über einen Rücken hinauf zum Tajatörl (2.559m). Über das Brendlkar nordöstlich bis zur Loipe (Ganghofer Rast). Mit Gegenanstieg zum Ehrwalder Skigebiet. Abfahrt bis zur Talstation.

Beste Jahreszeit // Spätwinter bis Ostern.
Einkehrmöglichkeit // Einkehrmöglichkeiten an der Piste der Ehrwalder Alm und nahe der Talstation.

Anreise // Von Norden über Garmisch-Partenkirchen Richtung Fernpaß, am ehemaligen Grenzübergang Griesen vorbei nach Ehrwald. Weiter zum Skigebiet Biberwier. Hier biegt man kurz vor dem Ortsende links in die Marienbergstraße ein und fährt über sie zum unteren Parkplatz der Liftanlagen.
Parkplatz // Marienberglifte
Kosten // –
Mit den Öffentlichen: vom Münchner Hauptbahnhof mit der Regionalbahn 6 nach Garmisch-Partenkirchen. Umsteigen in die RB60 nach Lähn bei Bichlbach. Weiter mit dem Bus 150 bis zur Station Biberwier Silberleiten. Von der Haltestelle in vier Minuten zu Fuß zum Skigebiet. Dauer ca. 2:40 h.

Ausrüstung // Skitourenequipment, LVS-Ausrüstung, Geld für die Rückfahrt mit dem Bus.

TIPP // Für Langläufer Skating/Klassik: Auf 1.600 Metern befindet sich die Ganghofer Höhenloipe. Der Einstieg befindet sich unweit des Ehrwalder Skigebietes und ist ausschließlich mir der Gondel erreichbar. Die Loipe zieht sich rund 10 Kilometer Richtung Seebensee. Hin und Zurück müssen also 20 Kilometer und rund 140 Höhenmeter überwunden werden. Es gibt auch die Alternative der anfängerfreundlichen Igelsee-Runde. Die Loipen bewegen sich in einer wilden Berglandschaft, die ein nahezu einsames Langlauferlebnis garantieren.