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Laura Dahlmeier – Mein Platz ist in den Bergen

Laura Dahlmeier – Mein Platz ist in den Bergen

Frohnatur: Ganz in ihrem Element – Laura Dahlmeier unterwegs in den heimischen Bergen des Wettersteingebirges bei Garmisch-Partenkirchen. © Foto: Daniel Hug

Olympiasiegerin Laura Dahlmeier beendete vor vier Jahren überraschend ihre sehr erfolgreiche Biathlon-Karriere. Ruhig wurde es im Leben der ambitionierten Bergsteigerin trotzdem nicht

Ein persönliches Treffen mit Laura gestaltet sich Anfang Februar schwierig: Nach zwei Kursen für ihre Bergführerausbildung geht es für sie direkt weiter zur Biathlon-Weltmeisterschaft, bei der sie als TV-Expertin für das ZDF tätig ist. Kaum ist die WM zu Ende, erscheint ihr neues Buch. Dann warten auf Laura mehrere Talkshows und Veranstaltungen – und nicht zuletzt immer die Berge. Doch von Stress ist bei ihr nichts zu spüren.

Du bist auf dem Weg nach Oberhof. So richtig lässt dich Biathlon nicht los?

Stimmt. Wahrscheinlich bleibe ich diesem Sport mein Leben lang irgendwie verbunden. Aber jetzt stehe ich als TV-Expertin auf der anderen Seite.

Reizt es dich nicht, die Ski zu packen und wieder selbst loszurennen?

Nein. Zwar gehe ich nach wie vor gern Langlaufen und betreibe intensiv Sport. Aber ich weiß auch, was dazugehört, Rennen auf einem hohen Niveau zu laufen: wie viel Training dahintersteckt und wie viel Druck dabei herrscht. Ich möchte nicht mehr tauschen. Aber ich betrachte es als sehr großes Geschenk, dass ich den Sport auf eine andere Art und Weise miterleben darf.

Du bist nach wie vor „oiwei auf da Roas“ – um es auf Bairisch ausdrücken. Ist das nicht anstrengend, ständig unterwegs zu sein?

Ich habe mich ganz bewusst für dieses Leben entschieden: Mir wird schnell langweilig. Ich mag es deshalb, häufig unterwegs zu sein, neue Orte zu sehen und mich verschiedenen Herausforderungen zu stellen. Ich darf aktuell sehr spannende Sachen machen: als TV-Expertin arbeiten, die Bergführerausbildung und mein Studium der Sportwissenschaften absolvieren; ich darf viele Erfahrungen, die ich im Leistungssport und in den Bergen gemacht habe, an meine Partner weitergeben und gemeinsam mit ihnen auch privat Projekte verwirklichen. Diese Kombination ist für mich persönlich perfekt. Und es ist ein viel freieres Unterwegssein als früher.

Laura Dahlmeier – Mein Platz ist in den Bergen

Freiheitsgefühl pur: Über den Wolken – zusammen mit den Huberbuam beging Laura 2021 erfolgreich eine sehr anspruchsvolle und selten begangene Route auf den Mont Blanc. © Foto: Privat

Wie wichtig ist es dir, zwischendurch zu Hause zu sein?

Ich freue mich immer sehr, heim nach Garmisch-Partenkirchen zu kommen. Das ist mein sicherer Hafen, dort kenne ich mich aus, kann mich ordnen und wieder Energie tanken. Aber meist schon nach ein paar Tagen merke ich, wie es in mir kribbelt und dass ich bald wieder aufbrechen will. Aber ich fahre dabei nicht weg von irgendetwas, sondern hin zu etwas Spannendem.

Was tust du als Erstes, wenn du nach mehreren Wochen heimkommst?

Ins Bett gehen, weil es dann meistens spät ist und ich müde bin (lacht). Ich versuche relativ schnell Ordnung zu schaffen, und ich treffe mich gern mit Freunden oder der Familie auf einen guten Kaffee. Das ist für mich Teil des Heimkommens. Und ich schaue recht bald auf den Wetterbericht: Ist der gut, geht’s raus und in die Berge.

Laura Dahlmeier – Mein Platz ist in den Bergen

Früh übt sich: Mit acht Jahren im Klettersteig an der Sonnenspitze. Vor allem ihrem Vater Andreas lag viel daran, Laura die Begeisterung fürs Klettern weiterzugeben. © Foto: Adidas, Daniel Hug

… die schon immer sehr wichtig für dich waren …

Das waren sie von Kind an und sind es heute vielleicht noch viel mehr. In den Bergen fühle ich mich einfach daheim. Und in den heimischen Bergen unterwegs zu sein, bedeutet für mich wirkliches Ankommen. Dabei gibt es ein paar Berge und Orte, denen ich mich besonders verbunden fühle.

Ein Beispiel?

Das Oberreintal – ein magischer Ort mit einer urigen Kletterunterkunft. Wenn ich dort oben durch das Gatterl trete, öffnet sich mir eine andere Welt: Die alten Ahornbäume signalisieren Beständigkeit und Geborgenheit, die mächtigen Felswände rundum bilden eine Art Schutzwall. Ich komme bei mir an, Handy und Uhr sind schlagartig gleichgültig. Ich denke nicht an gestern oder morgen und bin frei in meinem Tun und Lassen – ein Ort großer Freiheit für mich!

Was ist dein Ziel beim Bergsteigen? Der Gipfel?

Nicht unbedingt. Bei einer Skitour kann das Ziel eine tolle Abfahrt sein. Auch bei einer Klettertour stehen eher die Herausforderungen der Route im Mittelpunkt. Und es geht mir darum, eine gute Zeit mit netten Menschen zu haben. Trotzdem ist bei allen Aktivitäten der Gipfel das i-Tüpferl – wenn es geht, nehme ich ihn schon gern mit. Aber mit oder ohne Gipfel: Das Wichtigste ist immer, dass ich am Ende wieder gut im Tal ankomme.

Was steht im Vordergrund: der Sport oder die Natur?

Schon der Sport – aber Sport in der Natur. Wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen gemütlich in der Natur wandern und ambitioniertem Sport in der Halle, dann würde ich die erste Variante wählen. Ich finde es total langweilig und schrecklich, drinnen gefangen zu sein. Das Freiheitsgefühl draußen in den Bergen wiederum ist einzigartig! Die Natur gibt mir viel vor, bietet aber trotzdem ausreichend Möglichkeiten, mir meine eigene Linie zu suchen. Das ist so viel spannender und aufregender.

Freiheit ist dir sehr wichtig. Führt man sich aber deine zahlreichen Aktivitäten vor Augen, klingt das nach gar nicht so viel Freiheit …

Doch. Ich habe mich ja bewusst für jedes einzelne Projekt entschieden. Wichtig ist mir, dass ich dabei relativ flexibel bin. Oder andersherum gesagt: Wenn ich einen Nine-to-five-Job hätte und von Montag bis Freitag immer im gleichen Büro sitzen müsste, wäre das für mich die totale „Anti-Freiheit“.

Wie schaffst du es, bei so vielen Aktionen den Fokus zu behalten?

Das ist eine Stärke, die man im Biathlon lernt. Bist du auf der Strecke, konzentrierst du dich auf deine Laufleistung. Am Schießstand musst du dich unmittelbar körperlich runterfahren und auf eine gute Schießleistung fokussieren, um kurz darauf gleich wieder zu wechseln. Davon profitiere ich immer noch und kann vieles gleichzeitig stemmen. Aber ich muss schon aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Es ist mir sehr wichtig, dass ich die Sachen, die ich mache, auch „gscheid“ mache.

So lautet ja auch der Titel deines neuen Buchs: dein Lebensmotto?

Ich setze mir das gar nicht unbedingt von Anfang an zum Ziel, alles total akkurat zu machen. Aber ich habe gemerkt, dass ich Sachen einfach nicht halbherzig machen kann. Im Gegenteil: Ich habe große Freude daran, Projekte mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit anzugehen.

So ein Buchprojekt ist ja sehr (zeit-)intensiv. Hast du dabei etwas Neues über dich erfahren?

Ich habe gelernt, dass ich mehr schaffen kann, als ich im ersten Moment denke. Und ich fand es sehr spannend, meine Gedanken zum ersten Mal schwarz auf weiß niedergeschrieben zu sehen. Im Kopf kommen und gehen Gedanken ja ein bisschen, wie sie wollen. Aber sie im Detail fertigzudenken und vor allem, sie sich danach wieder durchzulesen, das war für mich eine ganz neue Erfahrung.

Fühlst du dich innerlich aufgeräumter?

Ich würde eher sagen, manches fühlt sich abgeschlossener an. Ich habe noch besser erkannt, dass Biathlon immer ein Teil von mir bleiben wird und dass das auch gut so ist. Was ich aber auch viel klarer sehe als noch vor einem Jahr: Mein Platz heute ist vor allem in den Bergen.

Der Titel des Buchs ist auf Bairisch. Welche Rolle spielt für dich der Dialekt?

Ich bin mit dem Dialekt aufgewachsen und habe gelernt, mich in ihm auszudrücken. Es gibt so viele spezielle bairische Ausdrücke, die es im Hochdeutschen so nicht gibt. Ich hätte auch das Buch nie so ehrlich und direkt schreiben (lassen) können, hätte ich auf Hochdeutsch erzählen müssen. Natürlich sollte man mich noch verstehen. Aber ich finde es wichtig, dass Menschen so reden, wie man es nun mal in den Regionen tut, aus denen sie kommen. Das macht Menschen doch gerade spannend, wenn sie Eigenheiten haben und nicht jeder gleich ist.

WENN ICH WAS MACH, MACH ICH‘S GSCHEID

Laura Dahlmeier Buch Laura Dahlmeiers neues Buch über ihre Herausforderungen im Leben und die Freiheit in den Bergen ist im riva-Verlag erschienen. www.riva-verlag.de, ca. 18 Euro.