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Racing Atelier – Der muss was einstecken können

Leander Angerer in seiner Werkstatt in Oberammergau.

Leander Angerer in seiner Werkstatt in Oberammergau. © Fotos: Stefan Pabst

Im beschaulichen Oberammergau fertigt Leander Angerer in Handarbeit einen Rucksack, der als stylisches Accessoire überzeugt und am Berg alles aushält – der ideale Begleiter für Reisen mit leichtem Gepäck

Naturfarbenes Leder, eine knittrige Kunstfaser, die Hardware aus Alu: Das sind die Zutaten des ersten Rucksacks, den Leander Angerer 2016 in seinem Atelier im Herzen von Oberammergau entwirft. Statt eines Portfolios soll der Prototyp potenzielle Auftraggeber von der Qualität seiner Arbeit überzeugen. Angerer hatte Produktdesign studiert, erste Berufserfahrung gesammelt und gerade bei dem Outdoor-Ausrüster Vaude gekündigt. Künftig will er als freier Designer in den bayerischen Alpen leben und arbeiten. Lapidar nennt er seinen Entwurf „Rucksack #1“. „Ich nahm mir vor, erst mal 25 Stück zu fertigen”, sagt der 43-Jährige heute. Sobald diese verkauft sind, will er sich überlegen, ob ein Geschäftsmodell daraus wird. „Inzwischen bin ich bei Nummer 185.“

Naturfarbenes Leder, eine knittrige Kunstfaser, die Hardware aus Alu.

Naturfarbenes Leder, eine knittrige Kunstfaser, die Hardware aus Alu.

Oberammergau, im August 2025: „Racing Atelier” steht in neongelber Schrift auf den staubigen Glastüren einer ehemaligen Schreinerei, die den Blick freigeben auf mehrere Nähmaschinen in Industrieformat, eine antiquarische Siebträgermaschine und einen schmiedeeisernen Kohleofen. Leander Angerer arbeitet noch immer im provisorischen Ambiente. Inzwischen leben er und seine Frau mit zwei kleinen Kindern in den Räumen hinter der Werkstatt. Von der Decke hängen seine Rucksäcke aus den vergangenen Jahren, farblich reichen die gedeckten Töne von Weiß über Anthrazit bis Purpur. Kein Modell gleicht dem anderen, doch tragen alle die Handschrift des Designers, der sagt: „Dass ich mal kreativ arbeiten möchte, war mir schon früh klar. Bis heute ist es das Einzige, das ich kann und machen will.“

– 1 Tragfähig: Der Rucksack von Leander Angerer hält genauso viel aus wie alle Varianten im Bergsport. Sieht aber viel cooler aus.

– 1 Tragfähig: Der Rucksack von Leander Angerer hält genauso viel aus wie alle Varianten im Bergsport. Sieht aber viel cooler aus.

Haben oder Sein: Warum nicht beide Pole miteinander versöhnen? Als idealer Begleiter für Reisen mit leichtem Gepäck – bei Leander Angerer stets im wörtlichen wie im konkreten Sinn zu verstehen – überzeugt das Konzept des Rucksacks #1 mittlerweile Designliebhaberinnen, Städter und Bergsteigerinnen auf der ganzen Welt. „Ich wollte ein Produkt schaffen, das zeitgemäß ist und funktional. Mein Rucksack kann mit allen Varianten im Bergsport mithalten“, sagt Angerer, der bei Vaude einst Zelte, Isomatten und Sportrucksäcke entwickelte. Dass Rückenteil und Träger seines Rucksacks aus Leder bestehen, hat den Vorteil, dass das Material tierischen Ursprungs für ein ideales Körperklima sorgt: Leder ist atmungsaktiv und absorbiert Feuchtigkeit mindestens so gut wie Kunstfasern.

– 2–4 Echt nachhaltig: Im Ein-Mann-Betrieb im Racing Atelier wird alles von Hand gefertigt. Die Aluverschlüsse werden in Deutschland gegossen, die Schnüre sind industrielle Ausschussware.

– 2–4 Echt nachhaltig: Im Ein-Mann-Betrieb im Racing Atelier wird alles von Hand gefertigt. Die Aluverschlüsse werden in Deutschland gegossen, die Schnüre sind industrielle Ausschussware.

Außerdem altert das Material mit dem Menschen. Man sieht jeden Kratzer, der erste Regenschauer hinterlässt Flecken, genauso wie Schweiß oder Fett. Weil es aber recht schwer ist, entscheidet sich Angerer beim Protoyp für die Kombination mit der Polyethylenfaser Dyneema, die ursprünglich für die Segel der Jachten im America’s Cup zum Einsatz kam. „Sie wiegt nur ein Drittel so viel wie vergleichbare Kunstfasern, hält aber dreimal so viel aus“, sagt Angerer. Fast durchsichtig, bildet der Stoff einen hauchzarten Kontrast zu der derben Anmutung des naturbelassenen Leders, das Angerer vom Murnau-Werdenfelser-Rind bezieht. Die Rasse gehört zu den ältesten der Welt, die Tierhaut ist ein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Nicht vegan, aber nachhaltig.

Auch die Aluteile des Rucksacks, Ösen und Verschlüsse, sind gestalterisch wie funktional prägend. In der Industrie besteht die Hardware eines Rucksacks aus Kunststoff, im Racing Atelier verwendet Angerer handgegossene Elemente aus Alu. In einer kleinen Schmuckgießerei in Franken werden die Formen auch heute noch in der verlorenen Form gegossen: Ein Verfahren, bei dem die Form nach dem Gießen zerstört werden muss, um das Gussteil zu entnehmen. Das macht den Rucksack einzigartig im Design und zu einem Produkt, das zu 100 Prozent „Made in Germany“ ist. Material und deutsche Arbeitskraft haben ihren Preis. 2800 Euro kostet der Rucksack #1 – jedes Teil ein exklusives Einzelstück, handgefertigt vom Designer selbst, soll das Produkt als stylisches Accessoire in der Stadt überzeugen und am Berg fast alles aushalten. „Ich will wenige Exemplare herstellen, die ein Leben lang halten“, sagt er.

– 1–4 Wie ein Schneideratelier mutet die Werkstatt an. Das Nähen hat sich der Produktdesigner selbst beigebracht, unten eine Umhängetasche aus der aktuellen Kollektion.

– 1–4 Wie ein Schneideratelier mutet die Werkstatt an. Das Nähen hat sich der Produktdesigner selbst beigebracht, unten eine Umhängetasche aus der aktuellen Kollektion.

Um das zu erreichen, hat er sich das Handwerk selbst beigebracht, regelrecht „in die Näherei reingesteigert“. Die Ledernähmaschine bedient Angerer ebenso routiniert wie er ein japanisches Ledermesser zur Hand nimmt oder mit der Stanzmaschine Riemen und Rückenteile schneidet. „Ein Rucksack von mir soll konsequent durchdacht und mit Sorgfalt gemacht sein.“ Das habe für ihn sehr viel mit Hingabe zu tun. „Es ist schön, mit Leder zu arbeiten. Eine ganze Tierhaut über den Tisch ausrollen und mit der Hand darüber streichen, das ist ein fantastisches Gefühl.“ Was ihn von seinem Produkt überzeugt, sei aber etwas anderes: „Es fasziniert mich, wenn es eine Hülle gibt und der Mensch sie füllt.“

Zwischen Leere und Fülle bewegt er sich selbst. Der Schritt, von der Großstadt in die bayerischen Alpen zu ziehen, hatte etwas Radikales. Was in London Architektur und Museen an Inspiration bereithielten, findet Angerer heute in der Natur. „Ich kann die Werkstatt verlassen und direkt auf einen Berg steigen. Das ist es, was mich hier hält.“ Genau wie der Austausch mit anderen, kreativ arbeitenden Menschen, die in Oberammergau zwischen Tourismus, Holzschnitzkunst und Lüftlmalerei nach Gleichgesinnten suchen – und Leander Angerer morgens auf einen Espresso in der Werkstatt besuchen.

Was außerdem hilft, wenn es im Dorf zu eng wird und er sich mal wieder die Sinnfrage stellt, ist eine Frage der Mentalität: „Als Sportler habe ich gelernt, konsequent und zielstrebig zu bleiben. Misserfolge gehören dazu.“ Heute überwiegen die Erfolge, die Zweifel werden weniger. Immer neue Ideen bereichern das Portfolio. Umhängetaschen in verschiedenen Größen mit Schulterriemen aus ehemaligen Kletterseilen der Firma Edelrid wird es im Herbst in Japan zu kaufen geben. Gerade fertig geworden ist eine Hipbag, an deren Aluverschluss Leander Angerer lange getüftelt hat. Denn eine Schnappschnalle lässt sich aus dem Material nicht gießen, jetzt ist ihm eine besonders leichtgängige Alternative gelungen. Für Rucksäcke verwendet er zurzeit gern die japanische Kunstfaser Konbu, die aussieht wie die gleichnamige Alge. Der Stoff wird nach dem Weben geschrumpft und ist dadurch extrem wetterfest – ganz ohne künstliche Beschichtung. Eins hat sich seit den Anfängen nicht geändert. Seine Ideen, sagt Angerer, entstehen oft aus einem Gefühl heraus: „Ich denke mit den Händen.“

– 5–9 „Keine Raketen- wissenschaft”, sagt Angerer über seine Arbeit. Ein wenig Spezialwissen braucht es aber doch, um eine Stanze richtig zu bedienen, die ideale Breite des Rückenstücks zu entwickeln oder den richtigen Stoff zu finden. Damit der Rucksack nicht nur gut aussieht, sondern auch hält.

– 5–9 „Keine Raketenwissenschaft”, sagt Angerer über seine Arbeit. Ein wenig Spezialwissen braucht es aber doch, um eine Stanze richtig zu bedienen, die ideale Breite des Rückenstücks zu entwickeln oder den richtigen Stoff zu finden. Damit der Rucksack nicht nur gut aussieht, sondern auch hält.

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