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Die Hintertür zum Paradies liegt im hinteren Längental

Die Hintere Längentalalm schmiegt sich in das vom Arzbach ausgeprägte Tal vor der Probstwand in die Kulisse.

Die Hintere Längentalalm schmiegt sich in das vom Arzbach ausgeprägte Tal vor der Probstwand in die Kulisse. © Fotos:Stefan Pabst

Wanderung zum Almidyll unter der Benediktenwand im Längental

Liebevoll pflegen die Senner ihre Wegkreuze.

Liebevoll pflegen die Senner ihre Wegkreuze.


Die Fenster der Alm blicken fröhlich in in die Landschaft.

Die Fenster der Alm blicken fröhlich in in die Landschaft.


Ein Sonntag auf der Alm ist erholsam und erfrischend.

Ein Sonntag auf der Alm ist erholsam und erfrischend.


Das Jungvieh wird hier wohlbehütet.

Das Jungvieh wird hier wohlbehütet.


Die Vordere Längentalalm dient als Unterkunft für die Senner und Sennerinnen.

Die Vordere Längentalalm dient als Unterkunft für die Senner und Sennerinnen.

Es ist Sonntagmorgen, die Junisonne kann den Altarraum der Hl. Kreuzkirche auf dem Kalvarienberg in Bad Tölz noch nicht wärmen. Der Messner hat mir das Kirchenportal aufgesperrt, ich will vor meiner Wanderung die Heilige Stiege hochsteigen, es ist ein Ritual, von dem ich mir Segen erhoffe. Ein kleiner Engel blickt verstohlen vom Treppenaufgang zu mir herab: Einer seiner Flügel ist abgebrochen, aber er bleibt tapfer neben jenen stehen, deren Flügel noch heil sind. Er rührt mich. Vom Kalvarienberg breche ich auf, um entlang der Isar ins Längental unterhalb der Nordwand der Benediktenwand zu wandern. Sich einem Ziel, einem Berg oder Tal, nicht vom nächstgelegenen Parkplatz oder Bahnhof zu nähern, enthebt mich der Bürde, vorgegebenen Wegzeiten zu folgen, erlaubt mir, mich meinem Ziel langsam zu nähern und es hilft mir, die Zusammenhänge von Landschaft, Natur und Zivilisation besser zu begreifen.

Früh treffe ich in der Gemeinde Arzbach bei Lenggries, gelegen an der Isar, ein. Zu früh, kein Wirtshaus offen, ich frühstücke im Alpen-Freibad, es ist herrlich: Eine „Delial“-Sonnenmilch-Werbetafel mit Thermometer von 1970, sie erinnern sich an das Gelb des Bikinis des Mädchens? – zeigt an: 18 Grad Celsius. Sonnenschirme mit Trottelbordüre, üppig farbenfrohe, unkuratierte Blumenbeete, und ein viel zu blaues Wasser. Zum zweiten Frühstück gönne ich mir Sinalco, Pommes und Currywurst. Eine Stärkung, für den zugegeben moderaten Anstieg, der nun folgt.

Vom Schwimmbad zweigt der Weg in das Längental ab. Der Holunder blüht, und Frau Holle („Holda“), die in den duften Sträuchern zu Hause sein soll, scheint gutes Wetter und Segen zu bringen: Denn die Bauern haben sich getraut zu mähen, nun wenden sie die Mahd. Um gutes Jungviehfutter zu werden, muss sie ein paar Tage auf dem Feld trocknen. Vor dem Hof sitzt die Altbäuerin und flicht die Haare eines Mädchens. So einsam liegen die Höfe da, die Seiboldhöfe, der Wiesbauer und der Brunnlochner. Zu ihren Füßen fließt die Isar, im Rücken liegt der große Walfischrücken der Benediktenwand, dem Bollwerk aus Felsen, der das Kloster Benediktbeuern auf der Südseite und den Starnberger See zu behüten scheint.

Die zu den Bauernhöfen gehörigen Almen liegen entlang des Arzbachs, der das Längental ausgeprägt hat: Ein Hochtal voller Lieblichkeit, Ewigkeiten von Alltag, Autobahnen und Aktienkursen entfernt, denn: Der Arzbach ist zahm, mäandert friedlich und sorgt mit seinem verspielten Lauf für allerhand Abwechslung. Bei einer kleinen Verschnaufpause endecke ich Orchideen, Lichtnelken, Schachtelhalmhaine und einen winzig kleinen Eisvogel, Wespen und allerhand bunte Falter, sogar eine Feldlerche lässt sich blicken.

Die Quelle des Arzbachs liegt unterhalb der Nordwand der Benediktenwand, bei der Probstalm, in einem Landschaftsschutzgebiet, in dem die Fauna tun und lassen kann, was sie will, und kein Almvieh grast. Almen, das bedeutet auch für die Bauern ein Stück Freiheit, Rückzug, und wenn man den Erzählungen glauben darf, auch Anarchie. Man versteckte Schmuggler und Waren, Wilderer und Beute, trieb Handel und feierte ein wenig, ohne das der Herr Pfarrer davon erfuhr.

Im sonnendurchfluteten Längental finden sich sowohl Hütten, die zumeist zu einer Alpenvereinssektion gehören, und sowohl bewirtschaftete als auch unbewirtschaftete Almen. Die erste Möglichkeit für eine Rast bietet die Kirchsteinhütte. Hier kann man in der Charakteristik einwandfrei bayerischer Zimmer und Lager in karierter Bettwäsche in gemütlichen Kammern nächtigen. Eine Übernachtung kostet circa 35 Euro.

Anderthalb Kilometer weiter stakst ein Mann in roter Badehose barfüßig über den Weg. Er ist aus der Längentalalm hinausgeschlüpft und im Begriff, in eine kleine goldglänzende Gumpe im Arzbach zu hüpfen. Im Längental hat man die Muße dazu, und die Wertschätzung für das, was die Natur an Unterhaltung aufbietet.

Anderthalb Kilometer weiter stakst ein Mann in roter Badehose barfüßig über den Weg. Er ist aus der Längental-alm hinausgeschlüpft und im Begriff, in eine kleine goldglänzende Gumpe im Arzbach zu hüpfen. Im Längental hat man die Muße dazu und die Wertschätzung für das, was die Natur an Unterhaltung aufbietet. Ein wenig weiter des Weges und ich höre Lachen, Gläser klirren und Kuhglocken bimmeln: Da blickt auch schon die Hintere Längentalalm mit ihren grünen Fensterläden, die wie Wimpern an den Fenstern wirken, ums Eck. Unten ist die stattliche Alm gemauert, der obere Stock ist in Holzständerweise erbaut. Die Alm ist bei schönem Wetter von Mitte Mai bis Mitte Oktober bewirtschaftet. Rot-weiß getupft recken sich die Geranienköpfchen in die Sonne. Im Wind flattern die Zipfel der Tischdecken. Am Brunnen lehnen Bergradel, die Fahrer sitzen in knackigen Hosen vor Radler, Kaffee und Kuchen. Die Bedienung scherzt. Ich bestelle Kuchen, eine Hollerschorle und freunde mich mit meinem Tischnachbarn an. Hinter der Alm grasen zwei friedliche starke Kerle: Kaltblutpferde, die von den Bauern wohl aus nostalgischen Gründen gehalten werden. Dunkel und steil steht die Probstwand in der Kulisse, sie ist ein geheimes Paradies der örtlichen Kletterszene. Mein heutiges Tagesziel wäre die Quelle des Arzbachs oberhalb der Probstalm gewesen, aber ich verweile noch für weitere Getränke und Würstel auf der Alm, meine Sonntagsstimmung hat mich träge werden lassen.


Die unbeschwerten Zeiten für das Fleckvieh sind die Sommermonate auf der Almwiese. Der Auftrieb findet im Mai statt. Ab dann werden auch die Gäste bewirtet.

Die unbeschwerten Zeiten für das Fleckvieh sind die Sommermonate auf der Almwiese. Der Auftrieb findet im Mai statt. Ab dann werden auch die Gäste bewirtet.


Doch ohne Gipfel nach Hause? Da gibt man mir den Tipp, doch einmal über die kleine Brücke hinter der Alm zu gehen. Dort findet sich ein Schild „Neulandhütte“. Über einen munteren Steig erreiche ich dann die Längenbergalm und den bescheidenen Grasgipfel des Längenbergs auf 1244 Metern. Die Aussicht auf die Benediktenwand, das Brauneck und die Lenggrieser Gipfel im Osten ist großartig. Und das Gipfelbankerl habe ich sogar ganz allein für mich.

Für den Rückweg nach Bad Tölz wähle ich denselben Weg, erlaube mir aber, ab Lenggries eine Fahrt mit der Bayerischen Oberlandbahn. Beim nächsten Mal bleibe ich über Nacht und habe Badebekleidung dabei, sowohl für das Alpen-Freibad, als auch für die Arzbach-Gumpen.

Der kleine Engel aus der Kirche am Kalvarienberg fällt mir noch mal ein: Er hat mir Glück gebracht.

Die Probstwand ragt steil hinter dem Längental auf. Sie ist ein Eldorado für einheimische Kletterer.

Die Probstwand ragt steil hinter dem Längental auf. Sie ist ein Eldorado für einheimische Kletterer.

Der Gott der kleinen Dinge: Wer sich still ins Gras setzt, dem begegnet er in Form von Kaisermantel, Schachtelhalmen und Wesensarten, die friedlich ihres Weges gehen. Der Duft der Almen verändert sich im Laufe des Sommers von honigsüß zu kräutrig-würzig.

Der Gott der kleinen Dinge: Wer sich still ins Gras setzt, dem begegnet er in Form von Kaisermantel, Schachtelhalmen und Wesensarten, die friedlich ihres Weges gehen. Der Duft der Almen verändert sich im Laufe des Sommers von honigsüß zu kräutrig-würzig.

Gut zu wissen

Längental (Kocheler Berge)

Ausgangspunkt für eine Längentalwanderung mit Gipfel Langeberg: Wanderparkplatz in Arzbach. Wer mit der Bahn anreist und von Lenggries kommt, wählt den Weg „469“, der in diesem Text nicht beschrieben ist.

Wegzeit bis zur Hintere Längetalalm (1003 m): ca. 1,5–2h

Höhenmeter im Aufstieg: 400 Hm und bis zum Gipfel des Längenbergs (1244 m) zusätzlich 200 Hm. Rundweg über Jägersteig ab Gipfel Längenberg möglich, aber nicht mehr für Kinder geeignet.

Tipp: Besuch im Freibad, Übernachtung auf der Kirchsteinhütte.

Verlängerung der Tour: Wer ambitioniert und fit ist, dem ist die Überschreitung der Benediktenwand über den Rotohrsattel empfohlen, mit einer Übernachtung auf der Tutzinger Hütte, wo die Stimmung jung und fröhlich ist. Ein Notbiwak auf der Benediktenwand ist in einer Biwakschachtel möglich.