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Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Mit einem Sprung in den Tegernsee, den großen Magier, dessen Wasser mal arabisch-türkis, dann wieder diabolisch-düster zu schimmern vermag, begann Sisi ihre Tage am Tegernsee. © Fotos: Andy Dauer

Wanderungen auf den Spuren einer der größten Bergsteigerinnen ihrer Zeit: Kaiserin Elisabeth – genannt Sisi

Ein langer Wandersommer lag bereits hinter Kaiserin Elisabeth, als sie an einem Morgen im Oktober zu einer Bergtour aufbricht. Zweige und Zapfen, Gräser und Gärtenstauden tragen noch die funkelnden Spitzenkleider aus nächtlichem Raureif, stolz stehen die Gipfel des Dachsteingebirges gezuckert mit frischem Neuschnee im Morgenrot, da ist Sisi bereits einige Stunden unterwegs. Zum Frühstück um 10 Uhr trifft sie auf der Rettenbachalm ein. Es gibt, auch wenn andere behaupten sie hätte nur wenig gegessen, ein zünftiges Gabelfrühstück aus „Honig und Butter, drei Forellen (!), Kalbsschnitzel, einer Schüssel saurer Milch, Kaffee mit kaltem und warmem Obers, Kaiserschmarrn und Brot“. So vermerkt in der Hauschronik der Rettenbachmühle vom 10. Oktober 1886.

Elisabeth, von ihrer Mutter „Sisi“ genannt, war eine der größten Bergsteigerinnen des 19. Jahrhunderts. Trägt man den Firnis und den Zuckerguss der weitverbreiteten Narrative über die Kaiserin ab, findet man eine begeisterte Bergsteigerin, die ein großartiges Gefühl für die Erhabenheit der Alpen, die Schätze der Natur und die Spiritualität in den Bergen hatte.

Sie wanderte nahezu täglich und legte große Strecken zurück, sie wanderte, weil die Räume ihrer Seele sich in der Natur weiteten. Der Takt der eigenen Schritte verlieh ihren Gedanken Struktur und setzte ungeahnte Kräfte frei, die sie brauchte, um sich dem engen Korsett der Konventionen am Hof und der Monarchie zu widersetzen. Sie schrieb wunderschöne Gedichte über ihre Naturerlebnisse und nahm zumindest eines ihrer Kinder, die sogenannte Lieblingstochter Valerie mit, nebst Hofdamen, die zu Freundinnen wurden, und Vorleser und Vorleserinnen, mit denen sie sich über griechische Literatur und Philosophie, ungarische Geschichte und Poesie unterhalten konnte. Ihre Gedanken waren klar wie Gebirgsluft, ihre Körper trainiert, und ihre Entschlossenheit, sich in kein konventionelles Leben als Zierrat des Kaisers zu ergeben, groß.

Die Biografen und Biografinnen der Kaiserin hatten wenig Verständnis für ihre Freude am Bergsteigen. Sie fanden darin vielmehr einen Beweis für die Pflichtvergessenheit der pazifistisch und antimonarchisch eingestellten Gattin von Kaiser Franz Josef. Man fand, die Kaiserin solle gefälligst auf Bälle gehen, lächeln, winken und in der Hofburg Tee trinken.

Dabei galt Wandern auch gesellschaftlich spätestens seit 1782 durch Jean-Jacques Rousseaus Roman „Träumerei eines Spaziergängers“ bereits als bewundernswert. Bezwang ein Mann einen Berg, war er ein Held, bezwang Sisi einen Gipfel, galt sie als exzentrisch, als burschikos und fanatisch.

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Bad Ischl / Epizentrum der Elemente

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Der Steig auf den Jainzen ist wunderbar gewunden und wartet nach jeder Kehre mit einer neuen Überraschung auf.

In Ischl treffen fünf Täler und drei Gebirgsflüsse aufeinander. Die wilde Energie von Ischl, Traun und Rettenbach vereint sich am Fuße dreier Hausgipfel: Jainzenberg (834 m), Siriuskogel (599 m) und Kalvarienberg (606 m). Über dem Ort erheben sich Zimnitz (1745 m), Hohe Schrott (1839 m) und Katrin (1542 m) mit imposanten Steilaufschwüngen. Flusstäler und Gipfel gliedern die umliegende Landschaft reich und reizvoll. Ungeahnt viele Spaziergänge und Wanderungen überraschen mit stets neuen Eindrücken.

Auch die kaiserliche Familie zog die besondere Atmosphäre Ischls immer wieder an. Sophie Friederike von Bayern, die spätere Schwiegermutter Elisabeths, weilte bereits 1829 in Ischl zur Kur. Vermutlich war sie nach fünf Fehlgeburten verzweifelt; auch nach sechs Ehejahren hatten sich keine Nachkommen eingestellt. Nach einer Solekur in Ischl bekam sie schließlich den heiß ersehnten Sohn (und späteren Kaiser) Franz Joseph. Vier weitere Kinder folgten. Dank Sophie wurde Ischl zu einem Ort, in dem Hofgesellschaft, Künstlerschaft und das Großbürgertum ihre mehrwöchige Sommerfrische verbrachten. Das Wiener Burgtheater trat auf, erstklassige Orchester gaben sich die Ehre, Literaturschaffende von Weltruf mischten sich unter die Leute.

In einer generösen Geste kaufte Erzherzogin Sophie dem frisch vermählten Kaiserpaar ein Anwesen unterhalb des Jainzenbergs, das zur Kaiservilla aufgehübscht wurde. Elisabeth und Franz Joseph reisten fortan jährlich, erst ohne, dann mit den Kindern in ihr Sommeridyll, wo sie zeitlos und ohne Pflichten in den Tag hineinleben konnten. Zu ihrer Villa gehörte ein sanft ansteigender Park, der in die Flanken des Jainzenbergs mündet. Dieser Hausberg tut unschuldig, fordert den Wanderer aber durchaus.

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Tochter Valerie heiratete in der Stadtpfarrkirche zu Bruckners Orgelspiel. Noch heute besuchen die Nachfahren der Familie den Gottesdienst hier.

Der Anstieg erfolgt auf einem schmalen, fels- und wurzeldurchwirkten Jägersteig. Ohne Hand anzulegen, wird man ihn kaum erklimmen und auch dem Geübten geht die Puste aus. Kaiserin Sisi stieg jeden Morgen, noch vor dem Frühstück, hinauf. Auf dem Gipfel genoss sie den Sonnenaufgang, sah den Nebelfingern beim Griff nach den Bergen zu und vergaß angesichts des Erhabenen ihre Sorgen. Der Jainzenberg inspirierte Elisabeth auch zu zahlreichen Gedichten. Der „Sonnenaufgang“, geschrieben im August 1887, erzählt von der Morgenstimmung auf dem Jainzen, den Sisi „Zauberberg“ nannte. Und das Boutiquehotel Goldener Ochs wäre ganz nach Elisabeths Geschmack gewesen: gediegen-entspannt und als Ausgangspunkt für Wanderungen und „Promenaden“ ideal gelegen.

Tourentipp

Aufstieg auf den Jainzen, Elisabehts Zauberberg.

Der Weg ist zwar nicht sehr lang, jedoch fordert er vom Wanderer Trittsicherheit und die Bereitschaft, steile Abschnitte zu gehen. Kein Berg für Anfänger. Der Gipfel des Jainzenbergs (834 m) wartet mit einem herrlichen Ausblick zum Dachstein und zum Wolfgangsee auf. Sisi soll jeden Morgen vor dem Frühstück auf ihren Hausberg gestiegen sein, wenn sie in der Kaiservilla weilte.

Startpunkt: Bad Ischl, Ortsteil Jainzen, Jainzendorfstraße (640 m)
Endpunkt: wie Startpunkt
Wegzeit: 2,5 Stunden für 4 Kilometer
Höhenunterschied: 250 Höhenmeter

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Meran / Sisi blüht auf

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Sisi tröstete sich über den Verlust ihres Sohnes mit ausgedehnten Ausflügen und Wanderungen in den Dolomiten hinweg. In Meran blühte Elisabeth stets auf.

In Meran gehört die Vergangenheit zur Gegenwart. Die kleine Kurstadt am Fuß der Texelgruppe erlebte einen gehörigen Aufschwung, als sich die Kaiserin samt Hofstaat und ihren beiden Töchtern 1870/71 zum ersten Mal für fast acht Monate dort niederließ. Als Elisabeth eintrifft, ist Meran noch nicht aufgeblüht. Der Glanz der Schneegipfel, der sich in der türkisfarbenen Passer widerspiegelt, die offene Landschaft nach Süden hin, ein freundliches Klima, in dem Palmen gedeihen, lassen Elisabeth den Ort auswählen. Sie, die Schöne, vermag wahre Schönheit zu sehen. Allerdings fehlt es an allem, was ein Kurort oder Ferienort seinen Gästen an Kurzweil bieten sollte. Der Maler Carl Spitzweg kommentierte: „Die Gesellschaft ist unter aller Kanone – zum Verzweifeln.“ Man ist auf vornehme Ansprüche schlichtweg noch nicht eingestellt. Die Wandelhalle, der elementare Teil eines Kurortes, grenzt an einen Hühnerhof, aus dem es sehr streng riecht. Das Lesezimmer befindet sich oberhalb eines Schießstands. Doch Sisi ist das egal, sie genießt die vielen Wandermöglichkeiten, besonders jene, die an der Passer entlang führen. Vom Hotel Bavaria führt der Weg zur wilden Passer, in deren Strömung heute Kajakfahrer mit den Wellen spielen. Auf Felsblöcken am Flussufer sonnt sich die Meraner Jeunesse und ältere Semester lesen auf burgunderfarbenen Jugendstilbänken unter duftenden Zypressen ihre Zeitungen. Tage könnte man damit verbringen, die vornehm gelassene Stimmung zu genießen, sich in Müßiggang zu üben und auf die Gipfelparade der Texelgruppe mit ihren schneegekrönten Häuptern hinaufzublicken. Man könnte aber auch zu einem Buch greifen. Franz Kafka oder Max Frisch, die zeitweise in Meran lebten und arbeiteten, wären eine gute Wahl. Oder Heinrich Heine, den Kaiserin Elisabeth verehrte.

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Schlern und Santnerspitze

Tourentipp

Stadtspaziergang auf dem Meraner Sisi-Weg

Der Weg verbindet das Stadtzentrum Merans mit Schloss Trauttmansdorff, wo Sisi bei zwei ihrer vier Meran-Aufenthalte einquartiert war. Er orientiert sich an einer Route, die auch die Kaiserin häufig lief. Zehn Stationen tragen den Wandernden durch die Geschichte Merans und der kaiserlichen Aufenthalte in der Kurstadt. Für die Gärten von Trauttmansdorff empfiehlt es sich, früh aufzustehen – so kann man sich der Kaiserin nähern, die hier immer ihren Morgenspaziergang machte.

Startpunkt: Meran, Kurhaus (380 m)
Endpunkt: Meran, Ortsteil Obermais, Schloss Trauttmansdorff (438 m)
Wegzeit: 1 Stunde für 3 Kilometer
Höhenunterschied: 45 Höhenmeter

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Tegernsee / Das königliche Tal

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Die Wittelsbacher waren am Tegernsee viel mehr zu Hause als am Starnberger See.

Jeweils im August verbrachte Elisabeth mit Kindern und Ehemann Zeit am Tegernsee. Ihre Tage begannen meist mit einem morgendlichen Sprung in den See, anschließend ging sie wandern. In diamantklarem Wasser zu baden war Sisi mehr wert als Diamantschmuck am Hals.

Natürlich kann man am Tegernsee nicht nur baden und schwimmen, sondern auch wunderbar wandern. Das Mangfallgebirge war schon zu Sisis Zeiten recht gut erschlossen. Dennoch fanden – und finden sich bis heute – einsame Touren, auf denen man kaum einem Menschen begegnet. Sisi dürfte gewusst haben, dass das Wandern die vollkommene Art der Fortbewegung ist, weil es den Kopf frei macht und den Geist milde stimmt. Damit ging es ihr nicht anders als vielen Menschen heute: Vor allem, wenn die Familie samt Kaiser im Schloss weilte und vielleicht gar der eine oder andere Regent zu Besuch war, musste sie einfach mal raus, sich Langeweile und Frust aus der Seele laufen. Besonders gern war sie am Riederstein und den Gipfeln bei Wildbad Kreuth unterwegs. Am 30. August 1888 feierte Kaiserinmutter Ludovika ihren 80. Geburtstag. Man tanzte, wie Sisis Tochter Valerie festhielt, „zur infamen Kreuther Curmusik“ und zog sich später zum Kegeln in den Bierkeller zurück. In den folgenden Tagen ging es zum Wandern nach Wildbad Kreuth. Das dortige Ensemble aus Altem Bad – einem um 1700 von den Tegernseer Äbten erbauten Badehaus mitsamt Kapelle – und Neuem Bad – einem zweiflügeligen Bau aus dem 19. Jahrhundert – liegt am Fuße des Hohlen-steins. Hier steigt aus 700 Metern Tiefe schwefelhaltiges Heilwasser auf.

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von Sisi

Die Königsalm trägt ihren Namen, weil sie sich im Besitz von Sisis Großvater, König Max II. Joseph befand. Sie ist in Stil eines Schweizer Chalets gebaut. Hier kraxelte die kaiserliche Familie, während der Hofstaat sich mit der Kutsche vorfahren ließ.

Der Architekt des Neuen Bades, das samt Nebengebäuden 1818 bis 1820 erbaut wurde, muss ein Naturfreund mit viel Gefühl für Proportionen gewesen sein. Der Kontrast zwischen diesem lang gestreckten Bau, dem bäuerlich wirkenden Alten Bad, den Bergflanken, davor grasend die Haflinger der herzoglichen Zucht, dürfte die begeisterungsfähige Elisabeth ebenso entzückt haben wie heutige Wanderer. Unbedingt sollte man auch die Herzogliche Fischzucht unweit der Bäder besuchen. Forellen und Saiblinge gedeihen vorzüglich im Heilwasser der ehemals königlichen Quelle. Schon bald hinter der Alm beginnt die Kraxelei auf versichertem Steig in die Wolfsschlucht hinein. Hier springt das Wildwasser munter wie ein junges Füchslein von Fels zu Fels und wäscht goldene Tröpfchen aus, fein für die müden Füße zur Kühlung.

Die Wanderung ist nicht einfach, sondern eine kleine alpinistische Herausforderung. Wir wissen von Tochter Valerie, dass Kaiser, Kaiserin und Kinder hier tatsächlich hinaufgestiegen sind.

Tourentipp

Durch die Wolfsschlucht auf den Schildenstein und zurück

Von Wildbad Kreuth bis zur Siebenhüttenalm ist der Weg leicht zu schaffen. Der anschließende Aufstieg durch die Wolfsschlucht, den wohl auch Sisi einst gelaufen ist, erfordert hingegen Kletterkenntnisse, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Anschließend geht es hinauf auf den Schildenstein (1613 m) und über die Königsalm (1115 m) wieder zurück nach Wildbad Kreuth. Alternativ kann man auch über einen sehr schönen und deutlich einfacheren Almweg zur Königsalm aufsteigen. Insgesamt ist es eine anspruchsvolle Bergwanderung mit viel Wasser- und Felskontakt.

Startpunkt: Wanderparkplatz Wildbad Kreuth (796 m)
Endpunkt: wie Startpunkt
Wegzeit: 5 Stunden für 14,5 Kilometer
Höhenunterschied: 880 Höhenmeter

 

Lieblingswege einer Kaiserin – auf den Spuren von SisiFür ihr neues Buch „Sisi – Es lebe die Freiheit“ hat sich die Autorin und Alpinistin Sandra Freudenberg drei Jahre lang durch das Dickicht an Quellen gearbeitet und die Wege der Kaiserin von Meran bis Possenhofen erwandert. Entstanden ist ein Buch für alle, die Berge und starke Frauen lieben. Als Quelle dienten die Tagebuchaufzeichnungen ihrer Lieblingstochter Valérie, ihrer beiden engsten Vertrauten, der Hofdamen und ihr eigenes lyrisches Tagebuch. Aber vor allen Dingen besuchte Sandra Freudenberg die Gipfel, Seen, Täler, Wege, auf denen Elisabeth so gern unterwegs war. Sie entdeckte Berggipfel, die Juwelenketten aus Eis trugen und von blauen Nachtwolken gekrönt wurden. Sie fand Elisabeths geheime Lieblingsplätze, las ihre Gedichte und teilt deren romantische Begeisterung für schöne Wege durchs Gebirge. Der Fotograf Andi Dauer greift die Stimmung der Orte in stillen wie majestätischen Bildern auf, die im Stil großer Meister mit Ruhe und Kraft von der Bergwelt der Kaiserin erzählen.

Sandra Freudenberg, Andy Dauer

Sisi – Es lebe die Freiheit
Lieblingswege einer
unbeugsamen Kaiserin

208 Seiten, ca. 160 Abbildungen, Hardcover, Frederking & Thaler, 34,99 Euro.
www.frederking-thaler.d