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Der Klettergarten für kalte Tage: die „Sonnenplatten“ in Scharnitz auf Tirols Hochplateau

Der Klettergarten für kalte Tage: die „Sonnenplatten“ in Scharnitz auf Tirols Hochplateau

© Fotos: Katrin Böckelen

Der Oktober neigt sich langsam dem Ende zu, dadurch lassen auch die Temperaturen zu wünschen übrig. Allerdings ist die Motivation, am Fels klettern zu gehen, immer noch groß. Mit dem Gedanken, ab jetzt in die stickige Halle zu müssen, kann und möchte ich mich (noch) nicht abfinden. Doch das muss ich zum Glück auch nicht! Denn es gibt eine sehr gute Alternative zu den Plastikgriffen – und diese heißt: Scharnitz, Sonnenplatten! Die südseitige Ausrichtung verspricht den ganzen Tag Sonne. Der Fels wird auch in den Wintermonaten von ihr gewärmt. Wenn das keine perfekten Bedingungen zum Freiluftklettern sind …

In der Region Seefeld locken zahlreiche Gipfel die Bergsteiger auf ihre Häupter. Hohe Munde, Dreitorspitze, Gehrenspitze, Ahrnspitze; um nur die bekanntesten aufzuzählen. All diese Berge knacken locker die 2000er-Marke. Wenn das kein Wanderparadies ist! Wie sieht es mit Sportkletterrouten aus, kann Seefeld in dieser Hinsicht ebenfalls punkten? Definitiv! Es gibt einige Klettergärten wie z. B. das nordseitige Flämenwandl in Leutasch oder den anspruchsvollen Mauerbogen bei Seefeld.

Vor einigen Jahren wurde in Scharnitz ein neues Klettergebiet erschlossen. Es ist nahezu perfekt für kältere Tage: Südseitig, ohne Zustieg, bestens beschildert. Die Gemeinde Scharnitz ist nicht nur für die ursprünglichen Karwendeltäler oder den idyllischen Isarursprung bekannt. Nachdem das Kletterurgestein Heinz Zack zusammen mit dem Seefeld Tourismusverband und der Gemeinde das Projekt „Klettergarten Sonnenplatten“ ins Leben gerufen hat, wird das Bergdorf von Kletterfans nur so geflutet.

Der Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum FreiluftkletternDer Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum Freiluftklettern

Mit einer großen Portion Engagement, Eigeninitiative und Fachkundigkeit wurden die sehr alten Originalrouten überarbeitet. Somit wurde dem Klettergarten Scharnitz nach einer Generalsanierung neues Leben eingehaucht. Rausgekommen sind vier Sektoren und zahlreiche neue Routen für nahezu alle Könnerstufen. Der kurze Zustieg, eine Chill-Area mit Trinkbrunnen sowie Schilder mit den Namen der Routen und der Schwierigkeitsgrade trägt zur großen Attraktivität der Sonnenplatten bei.

Bedingt durch die südseitige Ausrichtung kann man hier am besten im Frühling, Herbst und an warmen Wintertagen klettern. Im Sommer machen einem die hohen Temperaturen sehr zu schaffen, denn Schatten ist hier Mangelware. Da man an den Platten das ganze Jahr über klettern kann, sind die warmen Felsen eine beliebte Alternative zum Hallenklettern. Rund 70 Routen im überwiegend plattigem Kalk lassen das Herz aller Fußtechniker höherschlagen. Kraftige Touren mit Überhang sind die Ausnahme.

Der Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum FreiluftkletternDer Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum FreiluftkletternNeben der Chill-Area mit Brotzeitplatz und Sonnenliege, befindet sich rechter Hand der Namensgleiche Sektor mit rund 10 Touren im französischen vierten bis siebten Grad. Im Mittelteil sorgen die Sektoren „Große Platte“ und „Löschzwerg“ mit rund 40 Touren für allerhand Abwechslung. Glatte Platten wechseln sich mit schönen Rissverschneidungen, Löchern, Leisten und Henkeln ab. Der perfekte Fels-Mix!

Auch Anfänger haben im einfachen Sektor „Löschzwerg“ ihren Spaß. Zahlreiche leichte 4er- und 5er-Routen lassen Neulingen erste Felserfahrung sammeln. Hier ist immer gut was los. Wer es lieber etwas ruhiger mag, kann abseits der Hauptsektoren im „Dschungelcamp“ abschalten. Doch nicht lange: Neun Touren bringen die Kletterer bis zum Schwierigkeitsgrad 6c an ihre Grenzen. Belohnt wird man mit rauem, plattigem Fels, der mit ausgefallenen Kletterzügen für den nötigen Nervenkitzel sorgt.

Der Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum Freiluftklettern
Der Fels der „Sonnenplatten“ in Scharnitz ist ideal im Winter zum Freiluftklettern
Auf gut ausgebauten Steigen erreicht man am Wandfuß querend nahezu alle Sektoren. Dabei ist das Tragen eines Helmes obligatorisch, da sich aus den Schrofen oberhalb immer wieder größere Steine lösen können. Klettern im Akkord geht durch die hohe Routenanzahl quasi von selbst. Zwischendrin lässt sich in der Chill-Area auf eine der hölzernen Sonnenliegen perfekt ausruhen und die Aussicht auf den Scharnitzer Hausberg „Hohen Gleirsch“ genießen.

Auch wenn die Temperaturen unter 10 Grad liegen, braucht man an sonnigen Tagen nie Angst haben, beim Sichern frieren zu müssen. Die Wände sich im null Komma nichts angenehm warm. Axel und ich klettern an diesem Herbsttag oben ohne. Die Hitze ist zwischendurch kaum auszuhalten, so staut sichs an der Wand! Strategisch fangen wir im rechten Sektor mit den einfacheren Routen an und arbeiten uns peu à peu Richtung Dschungelcamp. Da hier die schwierigsten Touren beheimatet sind, sollten wir bis dahin gut aufgewärmt sein.


Die meisten Routen kenne ich durch die vielen winterlichen Kletter-Sessions mittlerweile in- und auswendig. Axel ist dankbar über meine Tipps, denn manche Züge erfordern im plattigen Kalk eine ziemlich ausgefeilte Technik. Wer es lieber kraftiger mag, sollte sich das Klettergebiet „Flämenwandl“ bei Leutasch anschauen. Dort gibts zahlreiche Überhänge, die eher den Bizeps als die Fußtechnik fordern. Ich persönlich bin ein großer Fan von Plattenschleichern. Da die meisten Kletterer an den Stehproblemen scheitern, finden sie hier in Scharnitz ein ideales Trainingsgelände.

Ein Blick auf die Uhr lässt uns erschrocken aufschauen – schon 17 Uhr! Seit sechs Stunden klettern wir ununterbrochen. Ob wir noch Kraft haben? Langsam wirds zäh. In der letzten Tour für heute, einer 6b mit dem Namen „Vampi“, gehts noch mal richtig zur Sache. Hier vermischt sich alles, was die Sonnenplatten zu bieten haben zu einer perfekten Route! Glatter Anfang, kurze Querung an einer Leiste, danach ein weiter Zug, bei dem der Blick auf die Füße von einem Vorsprung vedeckt wird. Mit einer vorsichtigen Drehung und Gewichtsverlagerung wird der Fuß langsam versetzt und die Schlüsselstelle erfolgreich gemeistert. Im Anschluss folgt ein sehr anstrengender Zug im leichten Überhang, bei dem noch mal alles gegeben werden muss, bevor die Kette zum Ablassen erreicht wird. Puh, geschafft für heute!

GUT ZU WISSEN

Sportklettern Exposition // Süd  Ganzjährig  Scharnitz (964m)

Sportklettern // 10 – 28 Meter (60m Seil)
Schwierigkeitgrade Französisch // 3 – 7
Land // Tirol

Orientierung // Vom Parkplatz neben der Tunnelausfahrt in wenigen Minuten zu den Sektoren. Rechts: Chill Area (10 Routen), Mitte: Löschzwerg (26 Routen), Grosse Platte (13 Routen), Links: Dschungelcamp (10 Routen).

Anreise // Von München über die A95 nach Garmisch-Partenkirchen. Weiter nach Mittenwald. In Scharnitz dem orangenen Schild „Klettergarten“ folgen.
Parkplatz // Direkt am Klettergebiet an der Tunnelausfahrt.
Kosten // 3h: 3 Euro, 1/2 Tag: 5 Euro, Ganzer Tag: 7 Euro.

Ausrüstung // Kletterausrüstung, Helm, 60 m oder 70 m Seil.
Beste Jahreszeit // Ganzjährig. Wegen der hohen Temperaturen am Fels im Sommer eher im Frühling, Herbst oder an warmen Wintertagen zu empfehlen.

TIPP // Nach einem anstrengenden Klettertag empfiehlt sich ein leckeres Abendessen im Restaurant „Alte Mühle“. Getreu dem Slogan „Musik, Theater, Wirtshaus“ lädt die „Alte Mühle“ zu diversen Veranstaltungen ein. Für Unterhaltung ist bestens gesorgt. Die Pizzen sind ebenfalls ein Traum!