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Erfahrungsbericht Rosenheimer Radmarathon 2023

Erfahrungsbericht: Rosenheimer Radmarathon 2023

© Fotos: Katrin Böckelen

Dreißig Jahre Rosenheimer Radmarathon! Die Jubiläumsausgabe des begehrten Events war schon lange ausgebucht. Knapp 2300 Teilnehmer starteten am Sonntag, den 25. Juni 2023 am Möbelhaus WEKO in Rosenheim. Die Veranstalter des Radmarathons, der „Radsportverein Rosenheim“ sowie der „Skiclub Aising-Pang“, stellte mit dem Hauptsponsor „Erdinger Alkoholfrei“ ein top organisiertes Radevent auf die Beine.

Landschaftlich eindrucksvolle und gut ausgeschilderte Strecken, Verpflegungsstationen, die keine Wünsche offenließen, sehr nette Mitarbeiter:innen welche sich um das Wohlergehen der Sportler sorgten, sowie ein reibungsloser Ablauf am Start machten diesen Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis. Als wüsste Petrus über die Jubiläumsausgabe Bescheid, spannte sich ganztägig ein makelloser, azurblauer Himmel über unseren Köpfen. Was für ein Geschenk …

Bevor es überhaupt losging, mussten mein Vater Clemens und ich frühmorgens von München erst mal nach Rosenheim kommen. Mit den Rädern im Kofferraum fuhren wir mit Vorfreude im Bauch dem Chiemgauer Land entgegen. Ausgangspunkt des Events war das Möbelhaus WEKO, einer der Hauptsponsoren des Radmarathons, auf dessen Gelände geparkt und gestartet wurde. Laute Musik empfing uns vor Ort, was die Aufregung schlagartig ansteigen ließ. Wir holten unsere personalisierten Startnummern ab und reihten uns sogleich in den Startblock ein. Da uns heute ein heißer Tag bevorstand, waren wir froh um die anfänglich kühle Morgenluft. Um 9 Uhr viel unser Startschuss zur Tour III.

© Foto: www.sportshot.de

Kurz Vorweg: Die Veranstaltung ist kein Rennen, es wird deshalb keine Zeit gemessen. Jedem obliegt es selbst, ob er einzeln fahren möchte oder in der Gruppe (erlaubt sind maximal 15 Personen). Ein spontaner Zusammenschluss von mehreren Fahrern ergibt sich oft von selbst. Der Fahrstil ist frei wählbar. Es gibt solche, welche die Strecke mit dem E-Bike befahren und eine Genusstour daraus machen oder jene Ambitionierte, welche den Radmarathon als freies Rennen betrachten.

So wie wir hat die überwiegende Zahl der Starter die Motivation, am Ende des Tages mit einer persönlichen Bestzeit über die Ziellinie zu fahren. Da wir uns langsam über den Sommer steigern wollen, fangen wir bei unserem ersten Radevent der Saison in der Mitte der Streckenauswahl an. Die Tour III hat 140 Kilometer und ca. 1850 Höhenmeter.

Mit über 2000 Aspiranten wäre das Fahrerfeld für einen Massenstart viel zu groß. Daher wird in Blöcken gestartet. Alle drei Minuten dürfen maximal 15 Teilnehmer über die Startlinie fahren. Je nach Länge der Tour gibt es unterschiedliche Zeitfenstern. Ab 5:30 Uhr gehts los, dann starten die ersten Fahrer der Tour VI. Sie ist dieses Jahr mit 270 Kilometer und 5000 Höhenmetern die größte Runde. Da unser time-slot von 8:30 bis 10 Uhr offen ist, verteilt sich das Fahrerfeld auf 1,5 Stunden und es gibt quasi keine Wartezeit. Jetzt gehts los!

Zu Beginn führen uns kleine, asphaltierte Straßen in einem weiten Bogen um Rosenheim herum. Erstes Ziel: Bad Feilnbach. Strategisch ist es sinnvoll, sich auf den flachen Streckenabschnitten einer Gruppe anzuschließen. Das spart Kraft und Energie. Wir haben Glück und können mit etwas Anstrengung an eine kleine Sechser-Gruppe ranfahren, in deren Windschatten wir uns ca. 20 Kilometer vor dem ersten Anstieg einrollen können. Das Tempo wird durch die wechselnde Führung hochgehalten, was uns einen 30er-Schnitt beschert.

Anschließend beginnt in Brannenburg der erste knackige Anstieg hinauf zum Tatzelwurm (764 m), einer Teilstrecke der bekannten Sudelfeld-Passstraße. Ca. 300 Höhenmeter müssen auf einem stellenweise 18 % steilen Abschnitt bewältigt werden. Ich begegne der einen Kilometer langen Rampe mit etwas Respekt, denn ich habe viele Leidensberichte über sie gehört … Der Anstieg beginnt harmlos, doch die Steigung befindet sich gleich am Anfang. Nach der Kurve gehts zur Sache.

Vor mir wird bereits gestöhnt, die Pedale mit zusammengebissenen Zähnen in Zeitlupe runtergedrückt. Manche Fahrer haben eine schlechte Übersetzung, das rächt sich. Ich mache mich auf Schmerzen gefasst, doch meine Beine fühlen sich erstaunlich gut an. Ohne größere Schwierigkeiten bewältige ich das Steigungsmonster und werde gleichzeitig zuversichtlich, dass ich problemlos durch den langen Tag komme. Auch mein Vater scheint vom Training vorab profitiert zu haben.

Nach der Tunneldurchfahrt wird die Straße wieder flacher und schlängelt sich entlang eines Baches durch den schattenspendenden Wald, bis wir nach einer Almwiese den Tatzelwurm erreichen. Hier müssen wir abbiegen. Der Scheitelpunkt liegt etwa auf der Hälfte des Weges der Sudefeld-Passstrasse. Die Fahrer der längeren Strecken dürfen bis zum Pass hinauf fahren. Schade eigentlich … An der Kreuzung bleiben wir kurz stehen. Links zweigt nun die Tatzelwurmstraße ab. Für uns beginnt die lange Abfahrt hinunter nach Oberaudorf. Außer uns tummeln sich einige Wanderer auf dem Parkplatz. Unweit der Straße versteckt sich eine Attraktion: die Tatzelwurm-Wasserfälle.

Dafür bleibt natürlich keine Zeit. Jetzt heißt es Bremsen auf! Schnell beschleunigt der Tacho auf 70 km/h. Der wohltuende Fahrtwind bläst uns um die Ohren, der Puls senkt sich, die Atmung wird wieder flacher. Kurzzeitig habe ich Zeit zum Ausruhen und die grandiose Aussicht zu genießen. Das Panorama der ursprünglichen Bergwelt um uns herum ist traumhaft. Die blühenden Wiesen, in der sich fröhlich Insekten tummeln, leuchten durch die Sonnen in intensiven Gelbtönen. Die Landschaft verschwimmt. Gut, dass bei dieser Geschwindigkeit kaum Autofahrer entgegenkommen. Das Inntal, das vorhin so weit weg war, kommt nun rasant näher, bis wir auch schon in Oberaudorf auf der neuen hölzernen „Zollhausbrücke“ über den wasserreichen Inn fahren. Ein beliebter Fotospot!

Nicht weit davon entfernt empfängt uns auch schon die erste Verpflegungsstation. Ich traue meinen Augen und Ohren kaum: Sogar für musikalische Unterhaltung in Form einer Blaskapelle ist gesorgt! Bayern-Idylle hoch zehn! Da macht das Pausieren richtig Laune. Zu lange wollen wir die Fahrt jedoch nicht unterbrechen, das rächt sich mit schweren Oberschenkeln. Schnell ein paar Snacks, um die Energiespeicher zu füllen. Leider ist das alkoholfreie Erdinger Bier schon komplett aufgebraucht. Um an der nächsten Station noch so ein erfrischendes Kühles zu ergattern, müssen wir wohl einen Zahn zulegen!

Auf dem Weg nach Frasdorf, dem nächst größeren Ort, lassen wir in der Auffahrt hinauf zum urigen Berggasthof „Duftbräu am Samerberg“ einige Körner. Die Sonne hat ihren Höchststand und damit das mittägliche Hitzehoch erreicht. Die Luft steht, der Schweiß fließt. Die Straße wird immer steiler, bis auch hier 16 Steigungsprozent erreicht werden. Einige Rennradfahrer flüchten in der letzten Serpentine in den Schatten des Waldrandes. Ich möchte die steile Passage allerdings schnell hinter mich bringen, also heißt es: Pobacken zusammenkneifen.

Oben am Duftbräu strömt der verlockende Duft von Kaiserschmarrn in meine Nase. Gleichzeitig fängt mein Magen an zu knurren. Fies! Als mein Dad schweißüberströmt neben mir hält und aufmunternd zu mir sagt, dass die zweite Verpflegung bald kommt, bin ich zuversichtlich, es ohne zu verhungern, ins Ziel zu schaffen. Zu unserer Freude dürfen wir uns auf dem Weg hinunter nach Frasdorf kurzzeitig im wohltuenden Fahrtwind abkühlen.

An der dortigen Verpflegungsstation am Sägewerk bekommen wir endlich das ersehnte Erfrischungsgetränk. Dazu wird uns eine Portion Nudeln mit Tomatensoße gereicht. Das tut gut! Da hier die Strecken II, III, V und VI zusammenkommen, ist der Andrang an den Verpflegungsständen groß. Wir suchen uns zum Pausieren einen der begehrten Schattenplätze. Nachdem die Reserven wieder aufgefüllt sind, nehmen wir die nächsten Höhenmeter der bevorstehenden Etappe in Angriff.

Zwischen Chiemsee und Simsee verläuft die Strecke im nicht minder anstrengenden, dafür sehr idyllischen Hügelland. Zuerst gehts Richtung Bernau am Chiemsee. Nach einem langen, steilen Berg dürfen wir zur Belohnung die herrliche Aussicht auf das „Bayerische Meer“ genießen. Was für ein Augenschmaus! Nach dieser Abfahrt kommt schon die nächste Rampe! Im stetigen Auf und Ab erklimmen wir Hügel für Hügel. Auch wenn diese Gegend einer Bilderbuch-Landschaft gleicht, erschweren es uns knackige Berge mit bis zu 19 % Steigung, die Umgebung ausgiebig zu genießen.

Die kleinen Straßen sind abgelegen, weit weg vom sonntäglichen Verkehrschaos, führen an alten Bauernhöfen und grünen Almwiesen vorbei … Idyllisch ist es hier allemal. Der Haken: Dafür nehmen sie ohne Gnade die direkte Line hinauf zur nächsten Anhöhe! Nach der fünften oder sechsten Steilauffahrt mit knapp 18 % verspüre ich ein leichtes Brennen in den Oberschenkeln. Langsam werden die Beine und der Kopf müde. Letzterer ist allerdings die notwendige Antriebswelle, ohne die nichts geht. Jetzt heißt es sich selbst zu motivieren.

Mein Dad und ich sind beide sehr ehrgeizig, daher wird nicht lange gejammert. Nur noch 40 Kilometer! Die Sonne lässt uns am letzten langen Berg noch mal richtig leiden, doch uns kann jetzt nichts mehr aus der Ruhe bringen, das Ende ist absehbar. Der Tacho hat schon längst die 1800 Höhenmeter erreicht. Das heißt, dass wir die Berge für heute hinter uns haben.

Von der „Ratzinger Höhe“, einem bekannten Aussichtspunkt bei Bad Endorf, verläuft die Straße über einen langen Rücken hinab nach Frasdorf. Wir haben endlich Zeit, das herrliche Panorama der Chiemgauer Berge ausgiebig zu bestaunen. In Anbetracht dieser Szenerie breitet sich ein wohliges Glücksgefühl in mir aus. Es resultiert vor allem aus dem Umstand heraus, diesen wunderschönen Tag zusammen mit meinem Dad erleben zu dürfen. Das ist was ganz Besonderes. Der Philosoph Albert Schweitzer zitierte einmal so treffend: Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt!

Zu meiner Überraschung kommen wir noch mal am Sägewerk in Frasdorf vorbei. Nach einem kurzen Snack schwingen wir uns feierlich auf unsere Räder und fahren der Ziellinie entgegen. Der Wind ist auf unserer Seite. Mit ordentlich Rückenwind schießen wir auf der Geraden an unseren Bergetappen des heutigen Tages vorbei. Sudelfeld, Tatzelwurm, Samerberg … Eine ordentliche Leistung, die wir absolviert haben.

Auf dem letzten Kilometer hören wir bereits die Bässe der Event-Area. Zuschauer feuern uns mit lauten Zurufen an, die Atmosphäre ist spürbar energiegeladen. Wir biegen um die Kurve und sind plötzlich da. Was für ein toller Zieleinlauf! Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rollen wir gemeinsam unter dem aufgeblasenen Torbogen hindurch.



© Foto: www.sportshot.de

Müde, aber glücklich steige ich nach 5:50 Stunden vom Sattel. Mein Dad und ich umarmen uns, sind dankbar dafür, dass wir heil zurück sind. Ohne Pannen, ohne Verletzungen. Die Euphorie wird morgen noch größer sein, die Strapazen vergessen. Dann sind nur noch die schönen Bilder in unserem Köpfen, an die wir uns ein Leben lang erinnern werden.

Etwas wackelig auf den Beinen holen wir unsere Marathon-Trikots ab. Der Körper muss sich von der stundenlangen Sitzhaltung ans aufrechte Gehen gewöhnen. Rücken, Po und Beine werden etwas Zeit brauchen, ums sich wieder vollständig zu regenerieren. Doch das ist jetzt Nebensache. Wir holen unser Siegerbier, stoßen auf diesen grandiosen Tag an und beratschlagen nebenbei, auf welchem Rennrad-Event wir dieses Jahr noch starten könnten. Schmerz macht bekanntlich süchtig!

Das ALPS-Magazin bedankt sich herzlich beim Komitee des Rosenheimer Radmarathons, dass wir spontan an diesem tollen Event teilnehmen durften!

GUT ZU WISSEN

 Rennradtour   Exposition // Alle 5-7 Stunden   Radmarathon im Chiemgauer Land

Distanz der Tour III // 141 Kilometer, 1850 Höhenmeter

Tour I: 64 km / 590 hm
Tour II: 108 km / 1.030 hm
Tour IV: 170 km / 3.000 hm
Tour V : 221 km / 4.000 hm
Tour VI: 270 km / 5.020 hm

Orientierung // Siehe Beschreibung der Touren auf komoot! https://www.rosenheimer-radmarathon.de/komoot/

Datum // 25. Juni 2023
Anreise // Von München (1h) über die Salzburger Autobahn A8 bis zur Ausfahrt Bad Aibling/Bad Feilnbach. In 10 Minuten bis zur Brannenburger Straße fahren. Adresse: Am Gittersbach 1, 83026 Rosenheim.
Parkplatz // Möbelhaus WEKO-Wohnen oder im Gewerbegebiet Am Oberfeld.
Kosten je nach Tour // 35-60 Euro.

Ausrüstung // Rennrad, Schuhe, Helm, Trikot/Hose, Sonnenbrille, Trinkflasche.

TIPP // Für den Rosenheimer Radmarathon 2024 sollte man sich früh genug anmelden. Die Veranstaltung ist sehr begehrt und daher sind die Startplätze der beliebten Touren 2 bis 4 schnell ausgebucht! Nach dem Radmarathon können Teilnehmer auf sportshot.de ihre persönlichen, hochauflösenden Fotos kaufen.